Ayurvedische Heilmittel Alternativ, freiverkäuflich und unkontrolliert
Was haben ayurvedische Heilmittel und illegale Drogen gemeinsam? Die potenzielle Verunreinigung durch Schwermetalle hält für Konsumenten unangenehme Überraschungen bereit. Dass die ganz und gar nichts mit dem erhofften Gefühl der Lebendigkeit zu tun haben, zeigt das Beispiel eines 24-Jährigen. Mit seit mehreren Wochen bestehenden krampfartigen Unterbauchschmerzen kam er die Notaufnahme.
Sein Allgemeinzustand war reduziert, der Hautton blass-grau und er zeigte einen leicht dunklen Gingivalsaum. Zwar bestätigte er einen ehemaligen Cannabis- und Kokainkonsum, aber derzeit hätte er nichts eingenommen, außer täglich zwei ayurvedische Kapseln aus Indien. Bei einem vorangegangenen stationären Aufenthalt im Krankenhaus war nach abdomineller Bildgebung und Knochenmarkpunktion lediglich eine hyporegenerative Anämie ohne maligne hämatologische Grunderkrankung festgestellt worden.
Auch beim zweiten Besuch blieben die Vitalparameter unauffällig. Die neuen Laborwerte zeigten eine normozytäre, normochrome Anämie mit erhöhten Lipasen-, Leber- und Ferritinwerten. Zudem war die d-Aminolävulinsäurekonzentration im Urin des Mannes um ein Vielfaches erhöht (42 mg/l statt der normalen < 4,5 mg/l) und die Erythrozyten erschienen basophil getüpfelt. Die Untersuchung auf Schwermetalle ergab einen Bleispiegel von 70 µg/dl (Normwert < 5 µg/dl). In der Haaranalyse ließ sich das Metall ebenfalls nachweisen. Auf der Suche nach den Ursachen für die Vergiftung gerieten schließlich auch die vermeintlich heilsamen Kapseln unter Verdacht. Und das zu Recht, denn in zwei Kapseln war bereits das 136-Fache der zulässigen täglichen Bleidosis enthalten.
Der Mann ist dabei leider kein Einzelfall, betonen Dr. Christina Scherbaum von der Nephrologie, Rheumatologie, Diabetologie und Allgemeinen Inneren Medizin der Uniklinik Köln und Kollegen. Etwa 20 % der ayurvedischen Heilmittel verbergen toxische Konzentrationen mindestens eines Schwermetalles in sich. Häufig wird Blei auch Drogen beigemischt, um z.B. das Gewicht zu erhöhen. Gelangt es in den Körper, werden 5 % davon an das Häm der Erythrozyten gebunden. Der Rest lagert sich in den Knochen ab, wo es Jahrzehnte überdauert.
Bleisulfit sorgt wohl für den dunklen Gingivalsaum
Seine dosisabhängige giftige Wirkung entfaltet das Schwermetall in allen Organen, aber besonders am ZNS, an den Nieren und bei der Blutbildung. Durch seine hemmende Wirkung auf die Enzym- und Hormonproduktion kam es beim Patienten u.a. zu der basophilen Tüpfelung und dem Aminolävulinsäureanstieg. Die Säure und andere Faktoren wie die Inhibition der intestinalen Muskulatur führen zu den berichteten „Bleikoliken“. Für den dunklen Gingivalsaum (Bleisulfit) sind orale Mikroben im Mund des Patienten verantwortlich, vermuten die Ärzte.
Wichtig ist, dass Betroffene die Schwermetall-Quellen meiden. Ist der Patient symptomatisch oder liegt die Schwermetallkonzentration über 100 µg/dl, raten die Ärzte zur Gabe von Chelatoren wie EDTA oder DMPS*, die mit den Metallen stabile Komplexe bilden. So können diese nicht mehr mit Proteinen interagieren und werden schneller ausgeschieden. Auch der Ayurveda-Fan verzichtete auf seine vermeintlichen Heilmittel und kam in den Genuss einer Chelattherapie mit DMPS, die ihm zunächst i.v. in hoher Dosis und später oral verabreicht wurde. Nach dreieinhalb Monaten war er ohne bleibende Folgen genesen.
* Dimercaptopropansulfonat
Quelle: Scherbaum CR et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 253-257