Foodporn rettet Teenager: Vergiftung mit Taxus baccata im Social-Media-Kanal dokumentiert
Starkes Herzklopfen, Übelkeit, Schwindel und Erbrechen ließen die Familie des Teenagers den Notruf wählen. Er habe zuvor einen Smoothie aus selbst gesammelten roten Beeren und „Grünzeug“ verzehrt, berichteten die Eltern. Der junge Mann war wach und ansprechbar, kardiologisch wies er allerdings eine persistierende ventrikuläre Tachykardie auf (180/min). Diese blieb von den notärztlichen Bemühungen mit Amiodaron, Magnesium und dreimaliger Kardioversion unbeeindruckt. Dafür stellten sich nun immer wieder bradykarde Phasen ein. Schließlich entschloss man sich zum Transport in die Uniklinik.
Auf dem Weg dorthin erlitt der Patient einen Herz-Kreislauf-Stillstand und wurde unter laufender Reanimation eingeliefert, berichtete Dr. Evelyn Bienenstein, Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin am Klinikum der Universität München.
Kurze Zeit später gelang es, einen Spontankreislauf zu erreichen. Doch die ventrikuläre Tachykardie ratterte weiter vor sich hin. Nichts half, die Ärzte tappten im Dunkeln, denn auch im Labor fand sich kein Hinweis auf die Ursache. Ebenso nutzlos war die Befragung des aufgeregten Vaters. Weil die Herzfunktion immer schlechter wurde, bereitete sich das Team auf den Einbau einer extrakorporalen Membranoxygenierung vor. Erneut befragte man den Vater. Dieser erzählte der Ärztin vieles, aber nichts Hilfreiches. Als Dr. Bienenstein schließlich erwähnte, dass man den Namen der roten Beere vielleicht anhand einer Phantomzeichnung eruieren könnte, lachte der Vater irritiert. Das sei nicht nötig, es gäbe das Bild doch auf Instagram.
Dass er den Account seines Sohnes nicht kannte, war kein Problem für die findigen Krankenschwestern. Sie hatten diesen innerhalb von zehn Minuten entdeckt und damit auch die geposteten Bilder der Zutaten und des Smoothies. Mithilfe der botanischen Fachkunde von „Dr. Google“ stand schnell fest: Der Junge hatte Nadeln und Beeren von Taxus baccata, der gemeinen Eibe, verzehrt.
Ähnlichkeiten zum Gift des Fingerhuts
Diese enthält das massiv kardiotoxische Taxin B: 50–100 g der Nadeln sind für Erwachsene tödlich. Da das Gift chemisch Digoxin ähnelt, infundierten die Kardiologen rasch Digoxin-spezifische Antikörperfragmente. Tatsächlich wurden die QRS-Komplexe nach drei Stunden schlanker, 24 Stunden später hatte der junge Mann wieder einen Sinusrhythmus. Nach drei Tagen konnte er ohne Folgeschäden nach Hause.
Quelle: Bienenstein E. internistische praxis 2021; 63: 594-599