Hyponatriämie Die Dosis macht das Gift
Ein 51-jähriger Mann, der zehn Jahre zuvor auf die Philippinen ausgewandert war, berichtete in einer Hausarztpraxis in Deutschland von Mund- und Augentrockenheit. Auch Polyurie und Polydipsie machten ihm sehr zu schaffen, ebenso ein rascher und ungewollter Gewichtsverlust von 10 kg. Hinzu kamen Muskelkrämpfe, Verwirrtheit, Gangunsicherheit und Synkopen. Auffällig war, dass sich die Symptome bei den gelegentlichen Aufenthalten in Deutschland deutlich besserten und zum Teil ganz verschwanden.
In einer philippinischen Klinik war bereits eine weitreichende Diagnostik erfolgt. In einer zerebralen MRT, einem MRT des Abdomens und einem Thorax-CT hatten sich keine Ursache für die heftigen Beschwerden finden lassen. Auch eine Gastro- und Koloskopie sowie rheumatologische und infektiologische Laboruntersuchungen hatten keine wegweisenden Befunde ergeben, berichten Dr. Isabell Ruoß von der Praxis für Allgemeinmedizin in Unterföhring und Dr. Volker Hartmann von der München Klinik Schwabing. Bei einem Serumnatrium von 119 mmol/l und entsprechender klinischer Symptomatik war dort die Diagnose eines partiell zentralen Diabetes insipidus mit renalem Salzverlustsyndrom gestellt und eine Therapie mit Desmopressin und Kochsalztabletten eingeleitet worden.
Nachdem auf den Philippinen erneut eine Hyponatriämie von 113 mmol/l aufgefallen und therapiert worden war, hatte sich der Patient in der endokrinologischen Abteilung am Uniklinikum München vorgestellt. Laborchemische Untersuchungen sowie ein Durstversuch blieben ohne pathologischen Befund. Das Desmopressin wurde abgesetzt und eine physiologische Trinkmenge verordnet.
In der hausärztlichen Sprechstunde erfolgten weitere Kontrolluntersuchungen. Der Patient war zu dem Zeitpunkt beschwerdefrei mit normwertigem Serumnatrium. Das machte es wahrscheinlich, dass der Auslöser der massiven Beschwerden auf den Philippinen zu suchen war.
Eingehend befragt, berichtete der Patient von seinen Lebensumständen in der neuen Heimat. Er lebe dort in einfachsten Verhältnissen im Urwald und versorge sich mit salzarmem Wasser aus einer Umkehrosmoseanlage – aufgrund seiner Mundtrockenheit etwa 3–3,5 Liter pro Tag. Größere Mengen eines solchen Wassers zu trinken, führt zu einer hypotonen Hyperhydratation, auch bekannt als Wasservergiftung, erläutern Dr. Ruoß und Dr. Hartmann. Die beiden Kollgen gaben ihrem Patienten die Empfehlung, künftig nur noch Wasser mit ausreichend hohem Mineralgehalt zu trinken.
Quelle: Ruoß I, Hartmann V. Flug u Reisemed 2022; 29: 256-258; DOI: 10.1055/a-1952-4192