Blutdruckmonitoring An der Dreifachmessung geht kein Weg vorbei

DGIM 2023 Autor: Dr. Angelika Bischoff

Der zu Hause vom Patienten selbst gemessene Blutdruck korreliert stärker als der Praxisblutdruck mit dem kardiovaskulären Risiko. Der zu Hause vom Patienten selbst gemessene Blutdruck korreliert stärker als der Praxisblutdruck mit dem kardiovaskulären Risiko. © RRF – stock.adobe.com

Die Hypertonie ist der wichtigste Risikofaktor für Morbidität und vorzeitiges Sterben. Um sie korrekt zu erfassen, muss man in der Praxis eine Dreifachmessung durchführen. Aber der Patient sollte auch zu Hause regelmäßig selbst die Manschette anlegen.

Die Blutdruckmessung gehört zu den klinisch wichtigsten Untersuchungen. Trotzdem ist es wahrscheinlich die Messung, die in der Praxis am schlampigsten durchgeführt wird, sagte Prof. Dr. ­Florian ­Limbourg, Medizinische Hochschule Hannover.

Nur bei valider Messung kann man sicherstellen, dass sich der Patient auch wirklich im Zielkorridor von 120–135 mmHg beim systolischen und 70–85 mmHg beim diastolischen Blutdruck befindet. Eine ganze Reihe von Studien habe gezeigt, dass der zu Hause vom Patienten selbst gemessene Blutdruck stärker als der Praxisblutdruck mit dem kardiovaskulären Risiko korreliert, erklärte Prof. Limbourg. Einer englischen Studie zufolge gelingt zudem die langfristige Blutdruckkontrolle besser, wenn sich die Therapie am Heimmonitoring orientiert statt an den in der Praxis gemessenen Werten.

Soll der Hausarzt dann überhaupt noch den Blutdruck messen? Er soll, meint der Experte. Denn die Praxismessung gilt immer noch als Goldstandard – und die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen basieren darauf. Aber in diesen Studien wurden die Messungen standardisiert unter bestimmten Bedingungen durchgeführt. Diese sollten auch in der Praxis eingehalten werden.

Gemessen wird nach drei bis fünf Minuten Ruhe mit einem validierten elektronischen Oberarmmessgerät, und zwar dreimal im Abstand von jeweils einer Minute. Im Praxisalltag ist dies nicht immer korrekt umsetzbar. In der Best-Rest-Studie wurde untersucht, ob man die Ruhephase vor der Messung auch abkürzen oder ganz darauf verzichten kann, wenn man eine Dreifachmessung durchführt. Tatsächlich kam heraus, dass sich die Messergebnisse im Fall eines normalen Blutdrucks nicht unterschieden, egal ob vor dem Messen fünf Minuten, zwei Minuten oder gar keine Ruhephase eingehalten wurde. Bei systolischen Blutdruckwerten ≥ 140 mmHg gab es jedoch Diskrepanzen in den Messwerten. Daraus wurde die Empfehlung abgeleitet, grundsätzlich erst einmal ohne Ruhephase dreimal zu messen. Nur wenn der durchschnittliche systolische Blutdruck ≥ 140 mmHg liegt, sollte die Dreifachmessung direkt anschließend noch einmal wiederholt werden.

Wie wichtig die Mehrfachmessung ist, machte der Referent anhand der Ergebnisse einer Studie deutlich, in der Forscher eine Einfachmessung mit einer Dreifachmessung verglichen hatten. Der systolische Blutdruck in der Einfachmessung unterschied sich bei 55 % der Patienten von dem Ergebnis der Dreifachmessung um mehr als 5 mmHg und bei 25 % der Patienten um mehr als 10 mmHg. Bei 34 % der Patienten zeigte die Einmalmessung dabei Anzeichen für den berüchtigten „Weißkittel-Effekt“, in der Mehrfachmessung normalisierte sich der Blutdruck also.

An der Dreifachmessung führe demnach kein Weg vorbei, schloss Prof. Limbourg. Am besten funktioniere sie mit einem Messautomaten, aber jeder Arzt müsse individuell überlegen, wie er die korrekte Untersuchung in seinen Praxisalltag integriert. Auch über eine adäquate Vergütung müsse dringend eine Diskussion in Gang kommen.

Der Experte empfahl außerdem, die ambulante Blutdruckmessung deutlich intensiver zu nutzen als bisher. Wenn der Patient selbst misst, werden Sonderformen wie die Weißkittelhypertonie und die maskierte Hypertonie schneller entdeckt, eine Therapie kann rascher begonnen oder angepasst werden. Das Heimmonitoring sollte über sieben konsekutive Tage jeweils morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen erfolgen. Nach diesem Zeitraum ist eine optimale Messgenauigkeit erreicht – das Ergebnis wird bei längerem Messen nicht besser. Messen die Patienten dagegen nur zwei oder drei Tage lang, ist der Messfehler zu groß.

Auf der Homepage der Hochdruckliga steht für das Selbstmonitoring ein strukturiertes Blutdrucktagebuch als PDF zur Verfügung, das den Zeitraum von sieben Tagen abdeckt. Auch eine Patienteninformation zur Heimmessung ist dort zu finden. Künftig wird der Schwerpunkt Prof. Limbourg zufolge auf Blutdruck-Apps liegen, die auch automatisch Mittelwerte berechnen und Daten an den Arzt übermitteln. In der Praxis etablieren werden sich voraussichtlich Apps, die im DiGA-Verfahren eine Zulassung erhalten.

Kongressbericht: 129. Kongress der Deutschen ­Gesellschaft für Innere Medizin