Von wegen Parkinson Auch andere Erkrankungen verursachen Rigor und Tremor

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Eine zeitnahe Diagnose ist für den Erfolg der Behandlung und das Überleben von Tumorpatienten essenziell. Eine zeitnahe Diagnose ist für den Erfolg der Behandlung und das Überleben von Tumorpatienten essenziell. © Pixel-Shot – stock.adobe.com

Was bei einem Patienten zunächst wie ein klassischer M. Parkinson aussah, entpuppte sich als eine andere Erkrankung. Nach der Behandlung bildeten sich die Symptome zurück.

Bei einer Kontrolluntersuchung nach einer HNO-Operation hatte ein 62-jähriger Mann von einer zunehmenden Gangunsicherheit und einem intermittierenden Tremor der linken Hand und des linken Fußes berichtet. Daraufhin überwies der Kollege seinen Patienten in die neurologische Notaufnahme. Dort zeigten sich in den linken Extremitäten ein distaler, feinschlägiger, hochfrequenter Ruhetremor sowie ein diskreter Haltetremor, berichtet das Autorenteam um Valeria Sajin von der Asklepios Klinik St. Georg. Außerdem stellte man einen linksseitigen Extremitätenrigor mit Zahnradphänomen und eine leichte linksseitige Bradykinese fest. Weiterhin bestanden eine diskrete Dysmetrie des linken Arms sowie eine leichte posturale Instabilität.

Zunehmende Ganginstabilität mit Fallneigung nach links

Am Folgetag erfolgte zur weiteren Abklärung ein L-Dopa-Test: Zwar besserten sich darunter der Tremor und der Rigor deutlich, jedoch kam es auch zu einer Zunahme der Stand- und Ganginstabilität mit Fallneigung nach links. Außerdem wurde ein Hemineglect links sichtbar. In der nun veranlassten zerebralen CT und MRT zeigte sich eine große (4,5 x 5 cm) intrazerebrale Raumforderung im rechten Temporallappen mit perifokalem Ödem, das den Hirnstamm komprimierte und einen Liquoraufstau verursachte.

Nach der Resektion verringerten sich der Rigor und der Tremor. In der MRT-Kontrolle war eine Besserung der Liquoraufstauzeichen erkennbar. Der Verdacht auf ein Glioblastom wurde histopathologisch bestätigt. Der Patient erhielt im Anschluss eine Radiotherapie, worunter sich die Parkinsonsymptomatik, der Hemineglect und die Fallneigung leicht besserten.

Wie das Autorenteam erinnert, versteht man unter Parkinsonismus das Auftreten von typischen Parkinsonsymptomen, die aber durch eine andere Erkrankung versursacht werden – das können auch Hirntumoren sein. In diesen Fällen spricht man von einem tumoralen Parkinsonismus.

Dieser ist allerdings selten: So hatten in einer Untersuchung bei über 900 Menschen mit supratentoriellen Tumoren lediglich acht einen tumoralen Parkinsonismus (0,3 %). Als typischer pathogener Mechanismus wird in der Literatur die Hirnstamm- bzw. Basalganglieninfiltration oder -kompression beschrieben. Bei ihrem Patienten gehen die Neurologinnen und Neurologen davon aus, dass die Kompression der Basalganglien durch das Hirnödem ursächlich war.

Vor dem Hintergrund, dass eine zeitnahe Diagnose für den Erfolg der Behandlung und das Überleben von Tumorpatientinnen und -patienten essenziell ist, empfiehlt sie immer eine sorgfältige differenzialdiagnostische Abklärung. Das gilt auch, wenn eine klassische Parkinsonerkrankung vorzuliegen scheint.

Quelle: Sajin V et al. Hamburger Ärzteblatt 2024; 78: 30-31 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg