Krebsdiagnose Auch die Familie leidet mit
Das Balancemodell nach Nossrat Peseschkian beschreibt die wichtigsten vier Lebensbereiche:
- Körper und Gesundheit
- Arbeit und finanzielle Sicherung
- Kontakte und Familie
- Hobbys und Sinnfindung
Alle Bereiche könnten durch die Krebsdiagnose eines Familienmitglieds aus dem Gleichgewicht geraten, betonte Diplom-Psychologe Ferdinand Mitterlehner, Wiesbaden. Da bei einer Tumorerkrankung gleich mehrere Faktoren und Stressoren zusammenkämen, könne man von einem regelrechten „Spinnennetz an Life Events“ sprechen. „Darauf ist man zunächst nicht vorbereitet“, so der Experte.
Die Belastbarkeit der Partner:innen im Blick haben
Oftmals werde von Seiten der Behandelnden nicht genügend beachtet, dass sich nicht nur für die Patient:innen selbst, sondern für alle Beteiligten in der Familie die Balance verändere. Durch die schwere Erkrankung sei das für Familien typische „Prinzip des gemeinsamen Lebensvollzugs“, das Abgrenzung, Privatheit, Nähe und Dauerhaftigkeit umfasse, möglicherweise gestört. Die Lebenspartner:innen der Betroffenen bezeichnete Mitterlehner in diesem Kontext sogar als „Patientinnen und Patienten zweiter Ordnung“, die einer besonderen (Selbst-)Fürsorge bedürften. Als erste und dauerhafte Anlaufstelle für die Erkrankten bemühten sich deren Partner:innen in der Regel, bestmöglich zu unterstützen und die Situation aufzufangen, und verdrängten dabei oft die eigenen psychischen Konflikte und Ängste. Dies könne zu psychischer, körperlicher und sozialer Überlastung führen.
Kinder angemessen informieren
Sind Kinder in der Familie, gelte es, auch ihnen ausreichend Informationen zu geben, sie einzubeziehen und mit ihnen zu sprechen, sagte Mitterlehner. Das Alter der Kinder sei dabei entscheidend für den Umgang. Als Grundsatz nannte der Vortragende: „Man muss nicht alles sagen; aber was man sagt, sollte richtig sein“. Ein Gespräch über die Krebserkrankung eines Familienmitglieds solle zudem erst dann erfolgen, wenn die Diagnose gesichert sei und man wisse, was in den kommenden Monaten passieren wird – das gelte ganz besonders in einer palliativen Krankheitssituation. Die Botschaft an das Kind könne lauten: „Auch wenn einer in der Familie krank ist, kann man fröhlich sein, aber eben auch traurig“.
Abschließend gab Mitterlehner den Behandler:innen mit auf den Weg, bei von Krebserkrankungen betroffenen Familien den „mehrdimensionalen psychosozialen Blick“ walten zu lassen und an die Fürsorge für alle Betroffenen zu denken – aber auch an die eigene Selbstfürsorge. Wichtig sei die Botschaft an die Familie, dass „trotz allem auch gelacht sowie Freude und Spaß empfunden werden“ dürfe.
Quelle: Mitterlehner F. Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2024; Vortrag „Patient und Familie bei Krebserkrankungen“