IPF oft alles andere als idiopathisch?
 
Auf das Zusammenspiel von Disposition und Exposition kommt es an

ERS 2024 Autor: Friederike Klein

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an einer idiopathischen Lungenfibrose. Das wirft Fragen nach potenziellen Auslösern der Erkrankung auf, die bisher möglicherweise zu wenig beachtet wurden. Eine große Rolle könnten dabei Interaktionen spielen.
 

Im Vereinigten Königreich ist die Inzidenz der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) in Hausarztpraxen zwischen 2000 und 2008 um 35 % angestiegen.1 Die Zahl der IPF-bedingten Todesfälle versechsfachte sich im gleichen Zeitraum sogar. Dieser Trend hat sich seitdem noch beschleunigt, berichtete Prof. Dr. ­Gisli ­Jenkins vom Imperial College London. Man gehe davon aus, dass eine genetische Disposition und Umweltfaktoren dabei zusammenwirken. Eine einfache Interaktion sei das allerdings nicht, eher ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Genvarianten und Umweltbedingungen.

Es gibt eine Reihe von bereits belegten genetischen Veränderungen, die das Risiko für eine IPF erhöhen. Seltene Varianten, die mit einem Funktionsverlust von Genen einhergehen, sind vorrangig bei familiären Formen der Lungenfibrose zu finden. Häufig stößt man bei Betroffenen mit nicht-familiärer IPF auf Varianten von Genen, die für nichts kodieren. Insgesamt lassen sich etwa 15 % der IPF-Fälle durch eine genetische Belastung erklären.2 Solange nicht noch Umweltfaktoren hinzukommen, ist das erstmal kein großes Risiko, betonte Prof. Jenkins. 

Ob auf Basis einer genetischen Prädisposition tatsächlich eine IPF entsteht, hängt unter anderem von Umweltfaktoren ab. Rauchen, organische Stoffe, berufsbedingte Exposition gegenüber Stäuben, Luftverschmutzung und Waldbrände können das individuelle Risiko erhöhen. Auch der individuelle Lebensstil kann zum IPF-Risiko beitragen, es aber auch verringern. 

Im Praxisalltag ist es wichtig, zumindest nach den bekannten potenziellen Auslösern einer Lungenfibrose zu suchen, denn die IPF ist eine Ausschlussdiagnose. Zum diagnostischen Algorithmus gehört bei jedem IPF-Verdacht die Abklärung von möglichen Ursachen wie beispielsweise den beruflichen Expositionen. Ein Arbeitsmediziner ist aber viel zu selten in den Prozess involviert, klagte Prof. Dr. Sara de ­Mattheis von der Universität Mailand. Vielmehr sollen in der Regel die Betroffenen selbst Auskunft darüber geben, welchen möglicherweise gefährdenden Bedingungen sie ausgesetzt sind bzw. waren. An universitären Lungenzentren weisen bis zu 60 % der an einer IPF Erkrankten eine berufliche Exposition auf, von der eine Assoziation mit Lungenfibrose bekannt ist. In einem gemeinsamen Statement beziffern ATS und ERS den Anteil der Fälle, in denen die Belastung durch Dämpfe, Stäube, Rauch und Fasern am Arbeitsplatz zur Krankheitsentstehung beiträgt, auf 26 %.3 Die IPF-bedingte Sterblichkeit scheint besonders hoch zu sein, wenn Betroffene am Arbeitsplatz Metall-, Holz- oder mineralischen Stäuben ausgesetzt waren, wie eine koreanische Studie zeigen konnte.4

Dass bestimmte Umwelt- und genetische Faktoren zusammenwirken, ist mittlerweile klinisch belegt. In einer Fall-Kontroll-Studie, die in Krankenhäusern in Großbritannien und Nordirland durchgeführt wurde, fand sich z. B. ein erhöhtes IPF-Risiko bei beruflicher Asbestexposition nur bei Rauchern, die Träger einer bestimmten Variante im Mucin-Gen MUC5B waren. In Europa betrifft diese Mutation immerhin 9 % der Bevölkerung.5 Solche Zusammenhänge müssen in Studien stärker erforscht werden, forderte Prof. de Mattheis.

Quelle: ERS* Congress 2024

*    European Respiratory Society
**    A-kinase Ankerprotein 13
1.    Navaratnam V et al. Thorax 2011; 66: 462-467; doi: 10.1136/thx.2010.148031
2.    Leavy OC et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 775-778; doi: 10.1164/rccm.202008-3211LE
3.    Blanc PD et al. Am J Respir Crit Care Med 2019; 199: 1312-1334; doi: 10.1164/rccm.201904-0717ST
4.    Jegal Y et al. Tuberc Respir Dis (Seoul) 2022; 85: 185-194; doi: 10.4046/trd.2021.0123
5.    Reynolds CJ et al. Occup Environ Med 2023; 80: 97-103; doi: 10.1136/oemed-2022-108404