Tumorkachexie Bei Krebs und Diabetes: den Teufelskreis verhindern

Autor: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)

Bei einer Tumorkachexie, von der 80 % der Menschen mit Krebs betroffen sind, verliert der Körper an Kraft. Bei einer Tumorkachexie, von der 80 % der Menschen mit Krebs betroffen sind, verliert der Körper an Kraft. © Seventyfour - stock.adobe.com

Sehr viele Menschen mit Krebs magern lebensbedrohlich ab – sie zehren aus. Für diese Tumorkachexie haben Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Bei einer Tumorkachexie, von der 80 % der Menschen mit Krebs betroffen sind, verliert der Körper an Kraft. Krebstherapien sind dadurch weniger effektiv, wodurch sich der Krankheitsverlauf verschärft. Trotz ihrer Häufigkeit bleibt diese onkologische Begleiterscheinung oft unbeachtet und führt bei etwa jedem dritten Betroffenen zum Tod, so eine aktuelle Übersichtsarbeit in Nature Metabolism.1 Besonders alarmierend: Menschen mit Diabetes tragen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Die DDG fordert daher, dass bei der Behandlung von Krebspatient*innen mit Diabetes immer auch diabetologische Expertise eingebunden wird. 

Kachexie ist eine eigenständige Erkrankung

Tumorkachexie führt zu massivem Verlust von Muskel- und Fettgewebe, was wiederum allgemeine Schwäche, reduzierte Lebensqualität und schlechtere Wirksamkeit von Krebstherapien zur Folge hat. „Die Stoffwechselstörungen, die durch den Tumor ausgelöst und durch Entzündungen im Körper verstärkt werden, machen eine einfache Gewichtszunahme durch Ernährung nahezu unmöglich“, erklärt Professor Dr. Stephan Herzig, 2. Vorsitzender der AG Diabetes & Krebs der DDG, Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs am Helmholtz-Zentrum München und Leiter der translationalen Academy Complications im DZD. „Die Kachexie ist daher nicht nur ein Symptom, sondern eine eigenständige Erkrankung, die das Überleben von Krebspatientinnen und -patienten erheblich beeinflusst.“ 

Diabetes als Katalysator und höhere Sterblichkeit

Eine neue Übersichtsarbeit in Nature Metabolism, an der Prof. Herzig mitgewirkt hat, zeigt auch auf, wie Diabetes die Tumorkachexie verschärft.1 So tritt bei Krebspatient*innen mit Diabetes Kachexie häufiger auf als bei Betroffenen ohne Diabetes – bei Darm- und Pankreaskrebs sind es beispielsweise 80 % versus 61 %. Auch der Krankheitsverlauf ist schwerwiegender: Menschen mit Diabetes verlieren im Durchschnitt mehr Gewicht, haben höhere Entzündungswerte und ein signifikant kürzeres Überleben. 

Das liegt vor allem daran, dass bei Diabetes bereits ein gestörter Energiestoffwechsel vorliegt, der die Tumorkachexie verstärkt. Die bestehende Insulinresistenz und entzündungsfördernde Prozesse verschärfen den katabolen Zustand. Gleichzeitig schränkt die erhöhte Belastung des Stoffwechsels die Fähigkeit des Körpers ein, Energieverluste auszugleichen. Dadurch ist das Risiko für schwere Verläufe und schlechtere Überlebenschancen bei Krebspatient*innen mit Diabetes besonders hoch. „Das Review zeigt deutlich, dass Diabetes nicht nur das Risiko für krebsbedingte Kachexie erhöht, sondern auch die Lebensqualität und das Überleben von Krebspatientinnen und -patienten deutlich verschlechtert“, so Prof. Herzig.

Multimodale und molekularbiologische Ansätze

Die Versorgung von Menschen mit Tumorkachexie erfordert einen multimodalen Ansatz. Neben einer individuell angepassten Ernährungstherapie spielen entzündungshemmende Medikamente und appetitanregende Substanzen wie Ghrelin-Agonisten eine wichtige Rolle. Moderate körperliche Aktivität kann den Muskelabbau verlangsamen. „Kachexie darf nicht als unvermeidbare Begleiterscheinung von Krebs abgetan werden“, mahnt Prof. Herzig. „Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Stoffwechsel, Entzündung, Tumorwachstum sowie dem erhöhten Bedarf an ernährungsmedizinischer Versorgung machen eine interdisziplinäre Betreuung aus der Onkologie, Ernährungsberatung und Diabetologie unverzichtbar.“

Die Übersichtsarbeit zeigt auch erste vielversprechende molekularbiologische Ansätze auf. So könnte die gezielte Modulation des Energiestoffwechsels, z. B. durch Aktivierung des AMPK-Signalwegs, helfen, den Abbau von Fett- und Muskelmasse zu verlangsamen. Bei Tiermodellen konnte dies bereits die Überlebenszeit verbessern und die Kachexie-Symptome mindern.

Quelle: 
1. Berriel Diaz M et al. Nat Metab 2024 Dec; 6 (12): 2222-2245 ; doi: 10.1038/s42255-024-01167-9

2. Adolph M et al. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2024 Apr;85:17-26; doi: 10.1016/j.zefq.2024.01.004