einseitiger Brustkrebs  Bilaterale Mastektomie bietet keinen Überlebensvorteil

Autor: Dr. Judith Lorenz

Manche Betroffene entscheiden sich für eine Entfernung der gesunden Brust, um maximale onkologische Sicherheit zu gewährleisten - eventuell vergeblich. Manche Betroffene entscheiden sich für eine Entfernung der gesunden Brust, um maximale onkologische Sicherheit zu gewährleisten - eventuell vergeblich. © Bungon - stock.adobe.com

Viele Brustkrebserkrankte entscheiden sich für eine bilaterale Mastektomie, obwohl nur eine Brust von dem Tumor betroffen ist. Diese Strategie beugt zwar einem späteren kontralateralen Mammakarzinom vor, senkt aber nicht das Sterberisiko.

Patient:innen mit einem einseitigen Mammakarzinom müssen eine Entscheidung über das Ausmaß des operativen Eingriffs treffen. Potenziell kommen eine brusterhaltende Lumpektomie, eine uni- sowie eine bilaterale Mastektomie infrage, berichtet Dr. ­Vasily ­Giannakeas vom Women‘s College Hospital in Toronto. Gemeinsam mit weiteren Forschenden ging er nun der Frage nach, wie zuverlässig eine prophylaktische Entfernung der nicht betroffenen Brust spätere kontralaterale Mammakarzinome verhindert und inwiefern sich dies auf die Überlebensprognose auswirkt.

Mithilfe der US-amerikanischen SEER(Surveillance, Epidemiology, and End Results)-Datenbank identifizierte die Arbeitsgruppe mehr als 600.000 Personen, bei welchen zwischen 2000 und 2019 ein unilaterales invasives Mammakarzinom bzw. ein duktales Carcinoma in situ (DCIS) im Stadium 0 bis III diagnostiziert worden war. Mittels Propensity-Score-Matching bildeten die Wissenschaftler:innen drei Kohorten, die sich bezüglich demografischer, klinischer, tumorpathologischer und therapeutischer Parameter bestmöglich ähnelten: Je 36.028 Teilnehmende hatten eine brusterhaltende Operation, eine uni- bzw. eine bilaterale Mastektomie erhalten.

Im Verlauf von 20 Jahren Nachbeobachtungszeit entwickelten 766 (2,1 %), 728 (2,0 %) bzw. 97 (0,3 %) Erkrankte dieser drei Kohorten ein kontralaterales Mammakarzinom. Die kumulative Inzidenz betrug im kombinierten Kollektiv der brusterhaltend operierten und der einseitig mastektomierten Patient:innen 6,9 %. Mit bzw. ohne kontralaterale Erkrankung lag die kumulative Brustkrebsmortalität nach 15 Jahren in diesem Kombinationskollektiv bei 32,1 % respektive 14,5 % (HR 4,00; 95%-KI 3,52–4,54).

3.077 (8,54 %) der mittels Lumpektomie, 3.269 (9,07 %) der mittels einseitiger und 3.062 (8,50 %) der mittels beidseitiger Mastektomie behandelten Personen starben an der Tumorerkrankung. Die kumulative Brustkrebsmortalität innerhalb von 20 Jahren war mit 16,3 %, 16,7 % bzw. 16,7 % in allen drei Gruppen ähnlich.

Das Brustkrebs-Sterberisiko nimmt nach einer kontralateralen Tumorerkrankung deutlich zu, schließen die Forschenden. Obwohl eine bilaterale Mastektomie offensichtlich wirksam vor solchen Zweitkarzinomen schützt, bietet sie keinen Prognosevorteil im Sinne einer Mortalitätsreduktion: Bezüglich des tumorbedingten Sterberisikos unterschieden sich die bilateral mastektomierten Patient:innen nicht wesentlich von den brusterhaltend therapierten (HR 0,99; 95%-KI 0,95–1,03). 

Es wird allgemein angenommen, bei den kontralateralen Mammakarzinomen handele es sich um neue Primärtumoren mit Metastasierungspotenzial, erläutern die Forschenden weiter. Angesichts ihrer Studienergebnisse stellen sie diese Hypothese jedoch infrage: Wäre das erhöhte Sterberisiko nach einem kontralateralen Tumor tatsächlich auf dessen Metastasen zurückzuführen, müsste sich eine bilaterale Mastektomie in einem Überlebensvorteil niederschlagen. 

Quelle: Giannakeas V et al. JAMA Oncol 2024; doi: 10.1001/jamaoncol.2024.2212