Burn-out bei Ärzten: Belastungsbedingte Hirnveränderung erschwert die Arbeit
Burn-out, von der WHO offiziell als berufliches Syndrom anerkannt, sorgt für affektive und kognitive Veränderungen wie emotionale Erschöpfung, Depersonalisation oder Zynismus. Gleichzeitig reduziert sich das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Diese Veränderungen sind primär eine Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz, schreiben Dr. Amy Arnsten von der Yale School of Medicine, New Haven, und Dr. Tait Shanafelt. Beim Arzt steht ein Burn-out mit Gefühlen des Kontrollverlusts hinsichtlich seines beruflichen Handelns in Verbindung, die seine Beziehungen zu Patienten und Kollegen belasten, die Work-Life-Balance stören und letztlich in unkontrolliertem Stress enden.
Mediziner im Hamsterrad
Entscheiden, Organisieren und Aufmerksamkeit beeinträchtigt
Hirnforscher konnten nachweisen, dass ein solcher chronischer, unkontrollierbarer Stress am Arbeitsplatz organische Folgen hat. Der Stress wirkt sich auf bestimmte zerebrale Schaltkreise toxisch aus, warnen die Autoren. Insbesondere der präfrontale Kortex (PFC) leidet, der normalerweise eine Top-down-Regulation von Gedanken, Emotionen und Handlungen vornimmt. Er steuert viele Vorgänge, die für den medizinischen Alltag essenziell sind, z.B. abstraktes Denken, Entscheidungsfindung sowie die Fähigkeit, herausfordernde Situationen zu meistern. Auch an Planung und Organisation, der Aufmerksamkeitssteuerung, Motivation und einem angemessenen professionellen Sozialverhalten ist er entscheidend beteiligt. Doch die Leistungen des präfrontalen Kortex verbrauchen viel Energie und reagieren sehr sensibel auf Modulatoren wie Norepinephrin, Dopamin und Acetylcholin. Müdigkeit bzw. Schlafmangel stören metabolische und physiologische Vorgänge, was mit kognitiven Einbußen einhergeht. Der dauerhafte unkontrollierte Stress führt sogar zu einem Verlust an synaptischen Verschaltungen. Bei Menschen, die beruflich erschöpft sind, konnte eine Reduktion der grauen Substanz im PFC nachgewiesen werden; sie müssen vermehrte Anstrengungen unternehmen, um ihre kognitive Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig führen hohe Konzentrationen an Norepinephrin und Dopamin in anderen Hirnregionen zu besonders emotionalem Verhalten. Die gute Nachricht: Studien mit menschlichen Probanden zeigen, dass sich die synaptischen Verbindungen in längeren Phasen der Entspannung erholen, sodass der PFC seine Funktion wieder aufnehmen kann. Wer sich diese neurobiologischen Zusammenhänge bewusst macht, ist unter Umständen in der Lage, Burn-out-Symptomen vorzubeugen oder sie zu lindern. So ist es wichtig, zu realisieren, wenn die Belastung am Arbeitsplatz zu groß wird und zu Frustration führt. Dann sollte man innehalten, die vorhandenen Gefühle benennen (z.B. Frust, Wut, Erschöpfung) und körperliche Bedürfnisse (Hunger) stillen bzw. den eigenen Bedürfnissen wie Schlaf etc. einen höheren Stellenwert beimessen, raten die Experten.Weniger Arbeitszeit, effizientere Abläufe
Manchmal sind auch längerfristige Änderungen nötig, räumen sie ein: beispielsweise für Struktur und gute Organisation sorgen, ineffiziente Arbeitsabläufe identifizieren und effektiver gestalten oder die Arbeitszeit reduzieren. Auch für die Arbeitgeber sind die neurobiologischen Erkenntnisse interessant; sie sollten das Arbeitsumfeld optimieren, Abläufe effektiver gestalten und ihre Mitarbeiter stärker in Entscheidungsprozesse einbeziehen, sodass Ärzte wieder mehr Kontrolle in ihrem Beruf erhalten. Dadurch können sie das Burn-out-Risiko für ihre Mitarbeitenden senken.Quelle: Arnsten AFT, Shanafelt T. Mayo Clin Proc 2021; 96: 763-769; DOI: 10.1016/j.mayocp.2020.12.027