Komplementäre nicht-hormonelle Therapie Cannabinoide als Ansatz gegen Symptome bei Endometriose
Endometriose betrifft etwa 10 bis 15 % der Frauen während der reproduktiven Lebensphase. Die Ausbreitung von endometriumähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutter geht zunächst mit zyklusabhängigen, später mit chronifizierenden Schmerzen einher. Außerdem leiden die Patientinnen an Unterbauchkrämpfen, Dyspareunie, Dysurie und Dyschezie. Hinzu kommen Übelkeit und Erbrechen. Mögliche Folgen der Erkrankung sind eine eingeschränkte Fruchtbarkeit, chronische Schmerzzustände und Schlafstörungen. Zu den gängigen Behandlungsmethoden gehören die hormonelle Suppression, Analgetika oder Neuromodulatoren sowie chirurgische Eingriffe.
Allerdings wird die Einnahme von Hormonen von den betroffenen Frauen aufgrund möglicher Nebenwirkungen immer weniger akzeptiert. Die analgetischen und neuromodulatorischen Behandlungen sind häufig nicht ausreichend wirksam, Operationen sind mit einer hohen Rezidivrate behaftet, schreiben Janosch Kratz und Prof. Dr. Sylvia Mechsner vom Endometriosezentrum an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Weitere Therapien werden daher dringend benötigt.
Endogenes Cannabinoidsystem ist bei Betroffenen verändert
In einer Reihe von Untersuchungen wurden bei Endometriosepatientinnen Veränderungen des endogenen Cannabinoidsystems beobachtet. Gefunden wurden beispielsweise
- eine Herunterregulierung von Syntheseenzymen für die Endocannabinoide in ektopen Endometriumläsionen,
- eine veränderte Expression von unterschiedlichen Rezeptoren in verschiedenen Geweben und
- eine erhöhte Konzentration von Endocannabinoiden im Plasma.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz von Phytocannabinoiden bei Endometriose erwägenswert, so Kratz und Prof. Mechsner.
Die beiden räumen eine widersprüchliche Datenlage für die Anwendung von Phytocannabinoiden bei chronischen Schmerzen ein. Erklärbar ist dies aus ihrer Sicht durch die komplexe Situation der Betroffenen sowie die sehr unterschiedlichen Konstellationen in den einzelnen Studien. Da randomisierte kontrollierte Studien mit den Cannabiswirkstoffen speziell bei Endometriose in absehbarer Zeit kaum zu erwarten sind, sollte ihrer Ansicht nach auf Daten aus anderen Quellen zurückgegriffen werden. Beispielhaft zitiert das Autorenduo die Ergebnisse von drei Umfragen mit insgesamt mehr als 1.500 Endometriosepatientinnen.
Demnach berichtete die überwiegende Mehrheit derjenigen, die Cannabinoide zur Linderung der Beschwerden anwendeten, von einer deutlichen Verbesserung insbesondere von Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schlafqualität. In einer der Umfragen wurden Cannabinoide als die wirksamste unter den Self-Management-Strategien eingestuft. In einer anderen gaben die Teilnehmerinnen an, dass sie dadurch andere Medikamente wie Analgetika reduzieren konnten.
Das Autorenteam gibt zu bedenken, dass viele Betroffene versuchen dürften, sich mit mittlerweile legal erhältlichem Freizeitcannabis selbst zu therapieren. Auch aus diesem Grund halten sie die ärztlich kontrollierte Anwendung von medizinischem Cannabis für sinnvoll.
Quelle: Kratz JW, Mechsner S. Schmerzmedizin 2024; 40: 24-31; DOI: 10.1007/s00940-024-4736-1