Coronatest: Fallstricke umgehen, Ergebnisse richtig interpretieren

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Spezialisten ordnen typische Fallstricke bei Coronatests ein. Spezialisten ordnen typische Fallstricke bei Coronatests ein. © Paulista – stock.adobe.com

Der eine Patient hat trotz negativem Abstrichergebnis COVID-19, ein anderer ist virusfrei trotz positivem Laborbefund. Test-Spezialisten erläutern, worauf beim Nachweis von SARS-CoV-2 zu achten ist.

Der Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 basiert auf der Detektion viraler RNA mittels Reverse-Transkriptase-PCR. Bei der Einschätzung der Ergebnisse spielen Sensitivität und Spezifität eine entscheidende Rolle. Die Sensitivität bezeichnet den Anteil der Erkrankten, die einen positiven Test haben (Richtig-Positiv-Rate). Die Spezifität bezeichnet den Anteil der Personen ohne COVID-19, die einen negativen Test haben (Richtig-Negativ-Rate). Dr. Jessica­ Watson­, Allgemeinmedizinerin an der Universität Bristol, und ihre Kollegen gehen von einer Sensitivität von etwa 70 % und einer Spezifität von 95 % aus.

Mit einer Kombination beider Größen lassen sich die Wahrscheinlichkeitsverhältnisse (likelihood ratio, LR+ bzw. LR-) errechnen, also die Aussagekraft eines positiven oder negativen Tests. Je weiter die positive LR (LR+) den Wert 1 übersteigt, desto besser eignet sich das Verfahren zur Detektion Kranker, bei einem Wert von 10 besteht eine als starke Evidenz für das Vorliegen der Erkrankung.

Formeln für die ­Wahrscheinlichkeit

  • Positives Wahrscheinlichkeitsverhältnis (likelihood ratio, LR+):
    LR+ = Sensitivität/(1-Spezifität)

  • Negatives Wahrscheinlichkeitsverhältnis (LR-):
    LR- = (1-Sensitivität)/Spezifität

Umgekehrt signalisiert eine LR- von unter 1 ein sicheres negatives Resultat. Für den SARS-CoV-2-Test liegt die LR+ bei etwa 14, er detektiert Erkrankte also äußerst zuverlässig, erklären die Autoren. Zum Nachweis Gesunder ist er mit einer LR- von 0,3 weniger geeignet, hier macht sich die moderate Sensitivität von ca. 70 % bemerkbar. Wichtig für die Interpretation der PCR-Ergebnisse ist auch die Prätestwahrscheinlichkeit für die Erkrankung. Zu deren Einschätzung werden lokale Prävalenzraten, Symptome und Befunde des Patienten ebenso berücksichtigt wie Kontakte mit COVID-19-Erkrankten sowie die Wahrscheinlichkeit einer anderen Diagnose. Anhand der Prätestwahrscheinlichkeit kann man die Posttestwahrscheinlichkeit berechnen.

SARS-CoV-2-PCR-Tests: Prä- und Posttestwahrscheinlichkeiten

Diagramm für SARS-CoV-2-Tests mittels PCR, basierend auf einer Sensitivität von 70% und einer Spezifität von 95%. Die gestrichelten Linien veranschaulichen die Prätestwahrscheinlichkeit von 90% (Fall 1) und 50% (Fall 2). Die jeweilige Posttestwahrscheinlichkeit (y-Achse) ergibt sich aus dem Schnittpunkt dieser Linien mit der unteren Kurve (im Falle eines negativen Tests) bzw. der oberen Kurve (im Falle eines positiven Tests).

Quelle: Watson J et al. BMJ 2020; 369: m1808; DOI: 10.1136/bmj.m1808

Wegen der hohen Spezifität des Tests bei moderater Sensitivität hat ein positives Ergebnis dabei mehr Gewicht als ein negatives. Anhand von zwei Fallbeispielen erläutern die Autoren die Bedeutung für die Praxis:

Fallbeispiel 1

Ein 52-jähriger Hausarzt leidet an Husten, intermittierendem Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl. Ein Abstrichtest zwei Tage nach Symptombeginn fällt negativ aus. Fieber und Husten persistieren, aber der Kollege fühlt sich fit genug, um wieder in seiner Praxis zu arbeiten. Keine gute Idee. Aufgrund der typischen Symptome und des erhöhten beruflichen Expositionsrisiko schätzen die Autoren seine Prätestwahrscheinlichkeit auf 90 %. Daraus ergibt sich bei einem negativem Testresultat eine Wahrscheinlichkeit von 74 %, dass der Patient dennoch mit SARS-CoV-2 infiziert ist. Selbst bei zwei negativen Tests liegt das Risiko noch bei etwa 47 %. Daher sollte sich der Hausarzt trotz des negativen Resultats in häusliche Quarantäne begeben.

Fallbeispiel 2

Anders sieht die Situation bei einer 72-jährigen Patientin mit schwerer COPD aus, die über akute Atemnot und eine leichte Verschlechterung ihres Hustens klagt. Auch bei ihr ist der erste Coronatest negativ. Aber in diesem Fall kommt als alternative Diagnose noch eine ambulant erworbene Pneumonie infrage. Da typische Coronasymptome wie Fieber fehlen, die Röntgenbefunde unspezifisch sind und keine COVID-19-Kontakte bekannt sind, liegt die Prätestwahrscheinlichkeit bei der Patientin nur bei 50 %, erläutern die Autoren. Ein negativer Test reduziert das COVID-Risiko auf 24 %, ein zweiter negativer Test sogar auf unter 10 %. Tatsächlich erholt sich die Frau unter einer Antibiotikatherapie, sie hatte also wohl doch eine bakterielle Lungenentzündung.

Quelle: Watson J et al. BMJ 2020; 369: m1808; DOI: 10.1136/bmj.m1808