Long-COVID und Diabetes Auch auf die Nebenniere achten
Als Erklärungen für ein Post-COVID-Syndrom würden direkte Gewebeschädigungen durch das Virus selbst, eine Reaktivierung latenter Viren oder Bakterien durch die Infektion, Veränderungen des Bluts (der Viskosität, deformierte Zellen) oder autoimmune Veränderungen (molekulare Mimikry, deregulierte T-Zellen) diskutiert, berichtete Prof. Dr. Stefan R. Bornstein, Direktor der Medizinischen Klinik 3 der Universität Dresden. Belegt wurde auch eine Beeinflussung des Astrozytenmetabolismus durch SARS-CoV-2, wodurch es zu einer neuronalen Dysfunktion kommen kann.1 Diese könnte zu den von Betroffenen berichteten anhaltenden depressiven Symptomen beitragen.
Ein schlecht kontrollierter Diabetes mellitus scheint ein signifikanter Risikofaktor für Symptome und Komplikationen in der Post-COVID-19-Phase zu sein.2 Zudem kann eine Akutbehandlung mit Steroiden zu längerfristigen metabolischen und endokrinen Veränderungen nach COVID-19 beitragen. Daher ist eine strukturierte Nachsorge von Menschen mit Diabetes nach COVID-19 wichtig, so Prof. Bornstein. Zu achten ist u.a auch auf Zeichen einer Nebenniereninsuffizienz. Sie entsteht nicht nur nach einer stationären oder intensivmedizinischen Steroidtherapie wegen COVID-19. Prof. Bornsteins Arbeitsgruppe fand im Autopsiegewebe von 40 an COVID-19 Verstorbenen, dass SARS-CoV-2 in der Hälfte der Fälle die Niere infiltriert hatte. Teilweise waren Viren auch intrazellulär nachweisbar. Assoziiert mit SARS-CoV-2 ließen sich in anderen Untersuchungen in der Nebenniere Zellschäden nachweisen.
Auf wen ist im Hinblick auf COVID-19 besonders zu achten?
Prof. Dr. Barbara Ludwig, Dresden, nannte zwei Gruppen von Menschen mit Diabetes:
- Haben Menschen mit Diabetes eine suboptimale Blutzuckereinstellung, beeinträchtig dies die Immunfunktion – die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten ist erhöht.
- Bei Menschen, die nach einer Transplantation kein Insulin mehr brauchen, ist es wichtig, zu beobachten, ob erneut ein Insulinbedarf entsteht. Denn: Es ist nicht bekannt, wie sich eine Coronavirus-Infektion auf die Funktion der Bauchspeicheldrüse auswirkt.
Im umgebenden Fettgewebe, seltener auch im Parenchym wurde eine Endothelitis beobachtet.3 Eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(HPA)-Achse kann sich womöglich Wochen nach der Infektion manifestieren. Daher empfiehlt Prof. Bornstein bei Post-COVID-Syndrom die HPA-Dysfunktion zu überprüfen. „Es gibt eine signifikante Überlappung von Post-COVID und HPA-Dysregulation“, ist er überzeugt.
Eine zugelassene Therapie gibt es nicht
Eine zugelassene Therapie zur Behandlung eines Post-COVID-Syndroms gibt es noch nicht. In Deutschland wird immer wieder über gute Erfahrungen mit der Immunapherese berichtet. „Das ist auch ein Ausdruck der guten Verfügbarkeit der Apherese in Deutschland“, erläuterte Prof. Bornstein. Ziel ist die Reduktion von Autoantikörpern, Lipiden, inflammatorischen Substanzen und proinflammatorischen und proatherogenen Faktoren oder auch eine Verbesserung der kapillären Funktion. Postuliert wird auch eine Reduktion der Spike-Proteine.
Ein standardisiertes und evaluiertes Aphereseprotokoll fehlt bislang, die berichteten Methoden sind unterschiedlich. Prof. Bornstein mahnte die Standardisierung eines Protokolls für eine randomisiert-kontrollierte Studie mit gut definierten Patientengruppen an.
Quellen:
1. Crunfli F et al. Proc Natl Acad Sci USA 2022; 119:e2200960119; doi: 10.1073/pnas.2200960119
2. Bornstein SR et al. Horm Metab Res 2022; 54: 562–566; doi: 10.1055/a-1878-9307
3. Kanczkowski W et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2022; 10: 13–16; doi: 10.1016/S2213-8587(21)00291-6
Kongressbericht: 58th EASD Annual Meeting, Stockholm/hybrid