Post-COVID-Syndrom: Multisystemerkrankung kann Langzeitfolgen haben
COVID-19 ist keine reine Lungenkrankheit. Neben dem akuten Lungenversagen spielen Veränderungen anderer Organe eine wesentliche Rolle für den Verlauf. Prinzipiell gilt: „Alle Organsysteme können infiziert werden“, stellte Professor Dr. Tobias Welte von der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover klar. Man müsse COVID-19 als eine Multisystemerkrankung betrachten.
Sterblichkeit beatmeter Patienten ist hoch
Ein wesentlicher Mechanismus ist die massive Schädigung von Endothelien. Dabei kommt es im Rahmen der Erkrankung häufig zur fast krebsartigen Neubildung von – nicht intakten – Gefäßen. Entstehen dort Thromben, wird das schnell gefährlich. Und das passiert nicht nur in der Lunge, sondern auch in den Nieren, im Darm und wahrscheinlich auch im ZNS, so Prof. Welte. So erleidet ein nicht zu vernachlässigender Teil der schwer COVID-19-Erkrankten Herz- oder Darminfarkte.
Fast 20 % aller hospitalisierter Patienten mit SARS-CoV-2 werden auf Intensivstationen behandelt – und die Verweildauer ist vergleichsweise lang. „Das bindet über lange Zeit Ressourcen“, betonte der Kollege. Die Sterblichkeit beatmeter Patienten ist hoch (in einer Studie mit mehr als 9500 hospitalisierten Betroffenen lag sie bei 52,7 % – versus 15,8 % ohne Beatmung) und hängt u.a. vom Alter und dem Vorliegen von Komorbiditäten ab. Zwar ist COVID-19 ein altersabhängiges Leiden. Allerdings betonte der Kollege auch: „Jeder kann daran sterben.“ Die Art der Beatmung (nicht-invasiv versus invasiv) macht dabei keinen Unterschied, erklärte der Pneumologe.
In der ersten Zeit lag die Krankenhaussterblichkeit noch bei knapp 30 %. Inzwischen hat sich diese deutlich verringert. „Am Anfang haben wir die Erkrankung behandelt wie eine Influenza – aber das war falsch!“ Falls es zu einer zweiten Welle kommen sollte, was der Kollege für wahrscheinlich hält, sei Deutschland gewappnet. „Wir haben gelernt“, so seine Einschätzung.
Langzeitfolgen können auch leicht Erkrankte treffen
Allerdings bleiben auch nach überstandener Erkrankung manche Betroffenen langzeiteingeschränkt. Sie klagen über Fatigue und eine ausgeprägte Belastungsintoleranz, wobei sich Herz und Lunge meist unauffällig darstellen. Vermutlich ist dieses als Post-COVID-Syndrom bezeichnete Phänomen immunologisch bedingt: Betroffene weisen u.a. Lymphozytenveränderungen auf.
An Langzeitfolgen leiden aber nicht nur schwer Erkrankte. Auch diejenigen mit einer leichten Verlaufsform kann es treffen, betonte Prof. Welte. Bei den meisten Patienten bessern sich die Beschwerden über die Zeit. Ob es auf lange Sicht auch Defektheilungen gibt, ist noch nicht sicher. Für die Betreuung von Patienten mit Langzeitfolgen sind laut Prof. Welte zwei Dinge besonders wichtig: die Betroffenen ernst zu nehmen und sie sehr sorgfältig nachzuuntersuchen.
Quelle: Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vom 1.7.2020
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