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Persistierende Belastungsdyspnoe Atemlos nach COVID-19

DGP-Kongress 2024 Autor: Birgit Maronde

Zwei Hypothesen zu den Ursachen werden aber mittlerweile durch Studiendaten gestützt. (Agenturfoto) Zwei Hypothesen zu den Ursachen werden aber mittlerweile durch Studiendaten gestützt. (Agenturfoto) © RFBSIP – stock.adobe.com
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Viele Patienten mit Long COVID leiden unter Dyspnoe. Nur in 20–30 % der Fälle findet sich bislang eine Erklärung für das Phänomen. Immerhin kann manchen der Kranken mit einem Atemmuskeltraining geholfen werden.

Etwa jeder dritte Patient klagt auch noch mehr als ein halbes Jahr nach COVID-19 über alltagsrelevante Symptome, die sich durch andere Erkrankungen als die SARS-CoV-2-Infektion nicht erklären lassen. Am häufigsten ist neben der Fatigue eine Belastungsdyspnoe. Sie tritt unabhängig von der Schwere der akuten Erkrankung auf, d.h., auch Patienten mit initial leichter COVID-19 können betroffen sein. Und wer nach sechs Monaten noch Probleme hat, wird diese sehr wahrscheinlich nach 18 Monaten immer noch haben, betonte PD Dr. Jens Spiesshoefer von der Medizinischen Klink V am RWTH Universitätsklinikum Aachen.

Klinische Routineuntersuchungen wie Lungenfunktionsprüfung, Blutparameter und Echokardiografie sind bei Long-COVID-Patienten mit Belastungsdyspnoe weitgehend unauffällig. Wodurch es zu den anhaltenden Beschwerden kommt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zwei Hypothesen zu den Ursachen werden aber mittlerweile durch Studiendaten gestützt. 

So konnte eine Arbeitsgruppe um Dr. Spiesshoefer zeigen, dass die Atemmuskultur bei Long-COVID-Patienten mit Belastungsdyspnoe geschwächt und die Atemregulation wahrscheinlich gestört ist. Dies gelang ihnen in einem Kollektiv von 50 Patienten, die 15 Monate nach der Entlassung aus der Klinik umfassend untersucht wurden. Knapp die Hälfte von ihnen litt unter einer moderaten, jeweils rund ein Viertel unter einer leichten oder schweren Dyspnoe. Lungenfunktionsprüfung, Echokardiografie und weitere Tests waren weitgehend unauffällig. 

Relevante Befunde lieferte dagegen die transdiaphragmale Druckmessung nach supramaximaler zervikaler Phrenicusstimulation über eine 2-Tesla-Magnetspule. Unabhängig von der Schwere der initialen Erkrankung zeigten die Dyspnoepatienten im Vergleich zu einer alters-,  geschlechts- und BMI-gematchten Kontrollgruppe eine verminderte Zwerchfellleistung. Ob die Patienten in der Akutphase beatmet worden waren oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Zwischen dem Ausmaß von Dyspnoe und Schwäche der Atemmuskulatur bestand eine signifikante Assoziation.

Als Konsequenz aus diesen Ergebnissen führten Dr. Spiesshoefer und Kollegen bei neun Patienten der o.g. Studie ein inspiratorisches Muskeltraining mithilfe eines speziellen Device durch. Bei diesem atmen die Kranken gegen Widerstand ein, abhängig vom Trainingserfolg wird der Widerstand sukzessive erhöht. Zweimal täglich führten die Patienten je 30 Inhalationsmanöver durch.

Seit der ersten Studie hatten sich Dyspnoe oder Zwerchfellschwäche bei keinem der Teilnehmer gebessert. Nach sechs Wochen Training konnte jedoch im Vergleich zu einer gleich großen Kontrollgruppe eine signifikante Reduktion der Belastungsdyspnoe beobachtet werden. Die Kraft der Atemmuskulatur bzw. die Wattleistung des Zwerchfells hatte deutlich zugenommen. Dies war nicht nur der Muskelkraft geschuldet, sondern auch der Fähigkeit des Gehirns, die Atemmuskulatur anzusteuern, wie die Studienautoren mit bestimmten Testverfahren nachweisen konnten. 

Die zweite Hypothese zur Ursache einer Belastungsdyspnoe im Rahmen von Long COVID geht von einer gestörten Mikrozirkulation mit verminderter Sauerstoffaufnahme und/oder verminderter peripherer Sauerstoffnutzung aus. Dafür sprechen u.a. die Ergebnisse einer Münsteraner Arbeitsgruppe. Sie hatte 30 Patienten, die an COVID-19 erkrankt waren und über eine Belastungsdyspnoe klagten, mehrfach mittels Spiroergometrie untersucht. Weder konnte eine kardiale Limitierung nachgewiesen werden, noch bestanden Einschränkungen der Ventilation oder der Lungendurchblutung, berichtete der Kollege. Korreliert war die eingeschränkte Belastungskapazität dagegen mit einem reduzierten Sauerstoffpuls und mit der verminderten relativen maximalen Sauerstoffaufnahme (peakVO2/kg). Die Studienautoren gehen daher von einem peripheren vaskulären Problem als Ursache der Belastungsdyspnoe aus. 

Andere Arbeiten sprechen dafür, dass manche Patienten eine Diffusionsstörung aufweisen, die unter Belastung zu einer Hypoxie führen kann. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Spiesshoefer untersuchte z.B. 72 COVID-Patienten sechs Wochen sowie sechs und  zwölf Monate nach der Klinikentlassung pneumologisch. Unter anderem wurde die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) ermittelt. Ein Jahr nach der Akutphase hatten 41 von 72 Patienten (57 %) eine erniedrigte DLCO, diejenigen mit Belastungsdyspnoe wiesen signifikant niedrigere Werte auf als Patienten ohne eine solche Atemnot. Bei 25 Patienten, für die Messwerte von allen drei Untersuchungszeitpunkten zur Verfügung standen, besserte sich die DLCO von Woche sechs zu Monat sechs, anschließend war dagegen keine weitere Besserung mehr zu verzeichnen.

Neben den beiden genannten gibt es noch eine dritte Hypothese zur Ursache der persistierenden Belastungsdyspnoe im Rahmen von Long COVID. Nach wie vor diskutiert werden zentrale Mechanismen, d.h. zentralnervöse und neurologische Aspekte, berichtete Prof. Spiesshoefer. Wie diese aber konkret zu Belastungsdyspnoe führen können, sei noch unklar. 

Quelle: 64. Kongress der DGP