
In die Erwachsenen-Rheumatologie Dank Smartphone, Avatar und Ernährungstipps

Wenn Jugendliche mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung dem Teenageralter entwachsen, beginnt eine besonders kritische Zeit. Denn der Übergang geht mit raschen und ausgeprägten biopsychosozialen Veränderungen einher, die bei einer chronischen Erkrankung besonders zu Buche schlagen, schreibt eine Arbeitsgruppe um Dr. Javier Courel-Ibáñez von der Universität Granada. Zumal die Belastung durch juvenil beginnende rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen (jRMD) enorm ist. Nur die Hälfte der jungen Kranken erreicht eine Remission, die übrigen nehmen ihre aktive Erkrankung ins Erwachsenenalter mit und benötigen weiterhin eine Behandlung. Trotzdem brechen 20 bis 50 % von ihnen ihre Therapie ab, was zu einem schlechteren Outcome führt. Um den Transitionsprozess zu verbessern, wurden 2017 die ersten EULAR-Leitlinien dafür veröffentlicht. Bisher gab es jedoch keine spezifischen Empfehlungen hinsichtlich der Patientenaufklärung zu körperlicher Aktivität und dem Selbstmanagement von Schmerzen. Dies wurde nun von einer Expertengruppe nachgeholt.
Die 26-köpfige Taskforce formulierte zwei übergeordnete Prinzipien (siehe Kasten) und sieben Punkte zur Berücksichtigung. Aufgrund fehlender Daten in der Literatur basieren die meisten Empfehlungen auf Expertenmeinung und erreichen damit nur einen Evidenzgrad von 5. Für Punkt 5 und 6 konnten individuelle Kohortenstudien herangezogen werden, was zumindest eine 2b-Evidenz ermöglicht. Der Zustimmungsgrad war mit Werten von 9,4 bis 9,8 hoch, mit Ausnahme von Punkt 4 (Grad 8,7).
- Für neu diagnostizierte Patientinnen und Patienten und diejenigen in der Transitionsphase ist die Aufklärung bzgl. körperlicher Aktivität und Schmerzmanagement besonders wichtig. In diesem Kontext soll die Patientenedukation einen aktiven Lebensstil fördern und dabei helfen, mit Schmerzen umzugehen. Das übergeordnete Ziel ist, die Betroffenen frühzeitig mit Gesundheitskompetenz und Selbstpflegefähigkeiten auszustatten.
- Die Patientenedukation hat maßgeschneidert und bedarfsorientiert zu erfolgen. Sie muss individuell an die Vorlieben, Fähigkeiten und Ressourcen der jungen Menschen angepasst werden. Es ist wichtig, die häufigen Schwankungen der Krankheitssymptome zu berücksichtigen. Um Überanstrengung und daraus resultierende Schübe zu vermeiden, sollten körperliche Aktivitäten aufgeteilt und realistische Ziele formuliert werden.
- Während der Übergangsversorgung ist es ratsam, für die Patientenedukation verschiedene Lernformate zu nutzen, einschließlich digitaler Gesundheitsangebote. Günstig ist dabei die Kombination aus persönlichen Gesprächen und telemedizinischen Interventionen. Um junge Menschen besser zu erreichen, können Gamification-Strategien wie Avatare, Belohnungen und Fortschrittsanzeigen ebenso eingesetzt werden wie Storytelling. Social-Media-basierte Programme oder videospielartige Ansätze scheinen bei jüngeren Kranken gut anzukommen. Als vorteilhaft haben sich auch smartphonebasierte Programme zum Schmerzmanagement erwiesen.
- Wichtiges Ziel der Patientenedukation ist, dass die jungen Menschen eine effektive Gesundheitskompetenz abseits ihrer Eltern entwickeln. Nur so können sie im Hinblick auf körperliche Aktivitäten und Schmerzmanagement die richtigen Entscheidungen treffen. Außerdem gelingt es auf diese Weise leichter, sie schrittweise in die gemeinsame Entscheidungsfindung bei der rheumatologischen Versorgung einzubinden.
- Betroffene und ihre Angehörigen sollten ein Beratungsangebot hinsichtlich eines gesunden Lebensstils erhalten. Dieser hilft beispielsweise, die Krankheitsaktivität zu verringern und Komorbiditäten in Schach zu halten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren, Eisen und Kalzium. Von ungesunden Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum ist abzuraten. Das Ziel besteht darin, dass die jungen Menschen schrittweise die Verantwortung für einen gesunden Lebensstil übernehmen, während über fürsorgliches Verhalten vonseiten der Eltern abgebaut werden muss.
- Körperliche Aktivität gilt als essenziell für junge Menschen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen. Sport verbessert den funktionellen Status, die Lebensqualität und die Schmerzen. In der Transition gelten die gleichen Bewegungsempfehlungen wie für Betroffene mit juveniler idiopathischer Arthritis im Kindes- und Jugendalter. Stehen Ängste vor einer Symptomverschlechterung oder eine elterliche Überfürsorglichkeit Sport und Bewegung entgegen, sollten diese Barrieren offen angesprochen und Bedenken ausgeräumt werden.
- Rheumatologinnen und Rheumatologen sowie Gesundheitsfachkräfte sollten verschiedene körperliche Aktivitäten anbieten, die mit den Vorlieben und Krankheitsanforderungen ihrer Patientinnen und Patienten übereinstimmen. Auch wenn die WHO die quantitativen Aspekte körperlicher Aktivitäten in den Vordergrund stellt – Spaß und ein verbessertes Selbstbewusstsein sind bei Sport und Bewegung mindestens genauso wichtig und sorgen dafür, dass die Betroffenen am Ball bleiben. Gleichzeitig muss jedoch sichergestellt sein, dass die ausgeübte Aktivität sicher und gut verträglich ist. Das Ausprobieren verschiedener Sportarten und Aktivitätstypen soll zudem dabei helfen, die persönlichen Vorlieben zu identifizieren.
Zwei übergeordnete Prinzipien
- Die transitionale Versorgung hat klare personalisierte Ziele, die auf einer gemeinsamen Entscheidungsfindung beruhen. Der Prozess wird regelmäßig durch objektive und patientenberichtete Ergebnisse überwacht.
- Die Patientenedukation ist ein interaktiver Lernprozess. Sie soll junge Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen befähigen, während der Transition ihre chronische Erkrankung selbst zu managen und ihr eigenes Wohlbefinden zu fördern.
Quelle: Courel-Ibáñez J et al. Ann Rheum Dis 2024; 0:1–8. doi: 10.1136/ard-2024-226448