Mikronährstoffe Das ABC der erfolgreichen Wundheilung
Für die biologischen Prozesse der Wundheilung, beispielsweise der Kollagensynthese, bedarf es Makro- und Mikronährstoffe. Während Makronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine für die Energielieferung und den Strukturaufbau wichtig sind, haben Vitamine und Spurenelemente eine unterstützende und regulierende Funktion. Bei einer Mangelernährung (s. Kasten) ist die Wundheilung gestört, da der Nährstoffbedarf nicht gedeckt wird, erinnerte Prof. Dr. Romana Lenzen-Großimlinghaus vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Sie gab eine Übersicht zu den wichtigsten Vitaminen und Spurenelementen.
Vitamin C
Ascorbinsäure ist eines der wichtigsten Vitamine in der Wundheilung, so die Referentin. Denn sie spielt nicht nur eine Rolle bei der Immunantwort, sondern auch in der Kollagensynthese. Die Ascorbinsäure fungiert als OH-Donor für die Hydroxylierung von Prolin und Lysin im Prokollagen und unterstützt somit die Stabilität der Tripelhelix im Kollagen-Grundgerüst.
Ein Vitamin-C-Mangel stört die Kollagensynthese und steigert die Kapillarpermeabilität: Die Wunde wird fragiler und die Makrophagenmigration negativ beeinflusst. Fehlt es zusätzlich an Protein, gilt die Situation als besonders kritisch, betonte Prof. Lenzen-Großimlinghaus. Denn dann mangelt es auch an Prolin und Lysin, die Wunde platzt wieder auf.
Der Tagesbedarf für Vitamin C liegt bei 100 bis 200 mg. Mehr hilft aber nicht, denn der Überschuss wird über den Urin ausgeschieden. Daher empfiehlt die Referentin, auf Vitamin-C-Präparate zurückzugreifen, die langsam im Darm aufgeschlossen werden.
Vitamin D
Calciferole sind für die Wundheilung ebenfalls wichtig, betonte Prof. Lenzen-Großimlinghaus. Denn neben dem Kalzium- und Phosphathaushalt spielt Vitamin D eine Rolle beim Zellwachstum, bei der Proliferation sowie bei der Immunantwort. Da die aktive Form 1,25-Hydroxycholecalciferol (Calcitriol) intrazellulär wirkt, lässt sie sich schlecht messen. Den Serumspiegel der Speicherform 25-Hydroxycholecalciferol (Calcifediol) kann man hingegen gut ermitteln.
Die Vitamin-D-Referenzbereiche sind laborabhängig. Als Orientierung können Werte über 20 ng/ml für eine suboptimale und über 30 ng/ml für eine optimale Versorgung dienen. Die Grenze für eine Überdosierung liegt bei 100 ng/ml. Der tägliche Bedarf an Vitamin D beträgt etwa 20 µg bzw. 800 IE.
Vitamin A
Vitamin A greift in alle Phasen der Wundheilung ein. Es steigert den epithelialen Turnover während der Heilung, wirkt antioxidativ und erhöht die Synthese von Kollagen, Fibronektin, Keratinozyten und Fibroblasten. Zudem kann es eine verlangsamte Wundheilung z. B. aufgrund einer Steroidtherapie ausgleichen. Wie eine Art Gegenmittel, so der Vergleich von Prof. Lenzen-Großimlinghaus.
Bei einem Mangel kommt es daher zu einer verzögerten Epithelisierung, einer verlangsamten Kollagensynthese, einer verminderten Kollagenstabilität und vermehrt zu Infektionen. Der tägliche Bedarf liegt für Frauen bei 0,8 µg (2.700 IE) und für Männer bei 1 µg (3.333 IE).
Vitamin E
Über Vitamin E gibt es leider wenig gute Studien, gab die Referentin zu. Es ist jedoch bekannt, dass Vitamin E als Radikalfänger fungiert und die Zellmembran vor oxidativen Schäden schützt. Zudem wirkt es antiinflammatorisch. In hohen Dosen kann es allerdings einen hemmenden Effekt auf die Wundheilung haben. Topisch hilft Vitamin E, Narben zu reduzieren – mit weniger Nebenwirkungen als Steroide. Vitamin E kommt u. a. in pflanzlichen Ölen, Sonnenblumenkernen und Nüssen vor. Die Tagesdosis liegt zwischen 11 und 12 mg.
Vitamin K
Vor allem in der Hämostase spielt Vitamin K eine Rolle aufgrund der Vitamin-abhängigen Synthese einiger Gerinnungsfaktoren. Zudem wirkt es positiv auf die Wundheilung. Vitamin K hemmt reaktive Sauerstoffspezies, fördert die Zellproliferation und wirkt antiinflammatorisch, indem es die Aktivierung von NF-kB inhibiert. Vitamin K findet man z. B. in Getreide, Milchprodukten und grünem Gemüse. Der tägliche Bedarf liegt normalerweise bei etwa 60 µg (Frauen) bis 70 µg (Männer).
Mangelernährung – auch in Deutschland ein Thema
Beim Thema Mangelernährung denkt man meist an Regionen wie Zentralafrika oder Südasien, denn in Deutschland gibt es Lebensmittel in Fülle. Hierzulande kommt eine Malnutrition in der Regel krankheitsbedingt vor, erklärte Prof. Dr. Dorothee Volkert von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen.
So zeigte eine von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung durchgeführte Auswertung des nutritionDay, dass rund 14 % der Patientinnen und Patienten in deutschen Kliniken nach ESPEN*-Definition untergewichtig sind. Jeweils 7 % gelten als mäßig und schwer untergewichtig. Wichtig für die Einteilung ist auch die Altersgrenze:
- mäßig untergewichtig: BMI 18,5 bis < 20 kg/m2 bei < 70-Jährigen bzw. BMI 20 bis < 22 kg/m2 bei ≥ 70-Jährigen
- schwer untergewichtig: BMI < 18,5 kg/m2 bei < 70-Jährigen bzw. BMI < 20 kg/m2 bei ≥ 70-Jährigen.
Während des Klinikaufenthalts verschlechtert sich oft die Ernährungssituation, wie eine Studie aus Spanien zeigte. So entwickelten fast 10 % der Teilnehmenden mit bei Einlieferung gutem Ernährungszustand eine Mangelernährung während ihrer Zeit im Krankenhaus.
Vor allem geriatrische Patientinnen und Patienten in Kliniken sind von Malnutrition betroffen. Von ihnen gelten etwa 24 % als untergewichtig. In anderen Fachbereichen liegen die Zahlen etwas niedriger: Innere Medizin 20 %, Gastroenterologie 17 %, Onkologie 15 %, Chirurgie 14 % und Neurologie 12 %.
* European Society for Clinical Nutrition and Metabolism
Zink
Zink gilt als essenziell für die Proteinbiosynthese, da es ein Bestandteil vieler Enzyme ist, unter anderem der DNA- und RNA-Polymerasen. Auch Proteine der Familie Mitsugumin 53 (MG53) besitzen zwei Bindungsstellen für Zink. MG53 unterstützt die Membranreparatur, indem es die Translokation von Vesikeln fördert. Außerdem spielt Zink in der Regulation der Zellproliferation von Fibroblasten und Epithelzellen eine Rolle.
Bisher gibt es noch keine gute Methode, um die Zinkversorgung detailliert zu erfassen, da das Spurenelement intrazellular wirkt und sich nur ein geringer Anteil des Zinks in der Zirkulation befindet. Der Tagesbedarf liegt bei ca. 10 mg. Prof. Lenzen-Großimlinghaus empfiehlt, die dreifache Menge zu substituieren, in Form von Zinksulfat als Brausetablette.
Selen und Kupfer
Selen und Kupfer fungieren als Kofaktoren vieler Zellreparaturenzyme. In einer deutschen Studie konnte gezeigt werden, dass Selen die Produktion des proinflammatorischen Interleukin-1b und die Aktivität der Kaspase-1 reduziert.
Kupfer findet man in Kakao, Nüssen und Krabben, Selen in proteinreichen tierischen Produkten. Deutschland gilt als Selenmangelgebiet. Eine Supplementierung bei einem Defizit kann eventuell nützlich sein, doch bislang fehlen gute Studien, fügte die Referentin hinzu.
Bei einem Mangelzustand bieten sich hoch dosierte Multivitaminpräparate mit Spurenelementen an, mit retardierter Freisetzung. Vorzuziehen sei allerdings immer eine ausgewogene und proteinreiche Ernährung, da sie mit weiteren positiven Effekten verbunden ist. Es gebe keine Studien, die belegen, dass auch ohne Defizit Vitaminsupplemente der Patientin oder dem Patienten einen Vorteil bringen, betonte Prof. Lenzen-Großimlinghaus abschließend.
Quelle: Nürnberger Wundkongress 2024