Das Gezanke um die oberen Blutdruckgrenzen nimmt kein Ende

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Einen gemeinsamen Nenner für Grenzwerte zu finden, ist eine Herausforderung. Einen gemeinsamen Nenner für Grenzwerte zu finden, ist eine Herausforderung. © iStock.com/Artisteer

140/90 oder 130/80 mmHg: Um die Obergrenzen wird mit harten Bandagen gekämpft. Während US-Kollegen immer mehr Beweise für den Segen niedrigerer Werte liefern, bescheinigt eine Studie aus Frankreich das nur teilweise.

Gemäß der aktuellen US-Leitlinien sollten kardiovaskuläre Risikopatienten jetzt schon bei Werten ≥ 130/80 mmHg antihypertensiv behandelt weden. Dr. Emmanuelle­ Vidal-Petiot von der Abteilung für Physiologie am Hôpital Bichat in Paris und ihre Kollegen haben nun anhand des CLARIFY-Registers, zu dem 45 Länder weltweit beitragen, Daten von fast 6000 Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit ausgewertet¹. Bei ihnen lag ein Blutdruck von weniger als 140/90 mmHg vor, damit gelten sie nach den europäischen Leitlinien als normotensiv.

Kein Unterschied hinsichtlich Infarkten, Schlaganfällen und kardiovaskulärem Tod

Die Wissenschaftler beurteilten, wie oft innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren bei Druckwerten von 130–139 mmHg Ereignisse eines Kompositendpunkts auftraten, dazu zählten sie Myokard­infarkte, Schlaganfälle und kardiovaskulären Tod. Die Zahlen verglichen sie dann mit denen bei Messungen von 120–129 mmHg. Ebenso prüften sie diese Outcomes bei Patienten mit diastolischen Werten von 80–89 mmHg gegenüber 70–79 mmHg.

Es zeigte sich, dass die genannten Ereignisse bei Studienteilnehmern mit den höheren systolischen Werten nicht wesentlich häufiger vorkamen. Anders sah es bei der Dia­stole aus: Hier war das Risiko bei Messungen von 80–89 mmHg im Vergleich zur Referenz rund doppelt so groß.

Theoretisch 3,3 Mio. weniger kardiovaskuläre Ereignisse

Demnach, so folgern die Experten aus Frankreich, ist die antihypertensive Behandlung von Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit, bei denen ausschließlich systolisch „erhöhte“ Werte bestehen, offenbar nicht sinnvoll. Zu anderen Ergebnissen kommen US-amerikanische Forscher: Die Gruppe um den Pharmazeuten Prof. Dr. Adam Bress von der Abteilung Population Health Sciences der University of Utah Health stellte eine Hochrechnung über zehn Jahre an, der vor allem Daten aus den Vereinigten Staaten zugrunde liegen².

Dabei fand sie theoretisch 3,3 Millionen weniger kardiovaskuläre Ereignisse, wenn die neuen Grenzen eingehalten würden. Dieser Zahl stünden zwar etwa genauso viele zusätzliche Medikamentennebenwirkungen gegenüber – diese seien allerdings im Wesentlichen geringfügig und vorübergehend.

Quellen:
¹ Vidal-Petiot E et al. Eur Heart J 2018; 39: 3855-3863
² Pressemitteilung der University of Utah Health