Adipositas-Paradoxon bei Lungenkrebs Übergewicht schützt doch nicht

ELCC 2024 Autor: Lara Sommer

Wie im Falle anderer Erkrankungen stellt auch das Adipositas-Paradoxon bei Lungenkrebs vermutlich ein Artefakt dar. Wie im Falle anderer Erkrankungen stellt auch das Adipositas-Paradoxon bei Lungenkrebs vermutlich ein Artefakt dar. © Sebastian Kaulitzki - stock.adobe.com

Dass Übergewicht vor Lungenkrebs schützt und die Prognose verbessert lässt sich vermutlich als Artefakt abtun. Ein Experte macht Komedikationen wie Metformin sowie die Schwächen des BMI verantwortlich.

Hinter dem Begriff „Obesity Paradox“ verbergen sich drei Beobachtungen:

  • Personen mit hohem BMI scheinen seltener an Lungenkrebs zu erkranken
  • übergewichtige Erkrankte haben scheinbar eine bessere Prognose 
  • ein hoher BMI korreliert mit besserem Ansprechen auf Immuntherapien

„Mittlerweile ist es nicht mehr wirklich ein Paradoxon“, stellte Prof. Dr. S­ai ­Yendamuri, Roswell Park Comprehensive Cancer Center, Buffalo, klar. Zum einen spiele die Nutzung konkomitanter Medikationen eine Rolle. So erhält etwa ein Fünftel der Lungenkrebspatient:innen Metformin und dies korrelierte in einer Kohorte mit einem längeren Gesamtüberleben (HR 0,61; p = 0,022). 

Gemäß dem BMI aufgesplittet blieb ein OS-Unterschied nur in der Subgruppe mit einem Wert von 25 oder höher signifikant (HR 0,59; p = 0,028). Ähnliches galt auch für das Risiko, einen Progress zu erleiden. „Es scheint, dass Metformin einen Anti-Krebs-Effekt hat, der sich allerdings auf übergewichtige Patient:innen beschränkt“, schlussfolgerte der Referent. 

Zweitens hält der Thoraxchirurg den BMI für problematisch, da dieser wenig über die Körperfettverteilung aussagt und durch die Muskelmasse verzerrt werden kann. Er und Kolleg:innen entwickelten einen Visceral Fat Index (VFI), der sich anhand von CT-Schnitten ermitteln lässt. Als der Experte Patient:innen ohne Metformin-Behandlung nach diesem Kriterium einteilte, hatten Erkrankte mit höheren VFI-Werten ein kürzeres rezidivfreies (p = 0,026) sowie Gesamtüberleben (p = 0,004). 

„Wenn man für beide Faktoren adjustiert, beginnen die wahren Auswirkungen von Fettleibigkeit sich zu zeigen“, fasste Prof. ­Yendamuri zusammen. Dies passe zu Forschungsdaten, nach denen im Kontext von Übergewicht eine immunsuppressive Umgebung in der Lunge und dortigen Tumoren herrscht. 

Zusammenfassend entstehe das Adipositas-Paradoxon durch die Nutzung des BMI als Maßstab für Übergewicht sowie adipositasspezifische Effekte verbreiteter Medikationen. In Zukunft müssten Forschende weitere derartige Pharmaka identifizieren. „Wir haben Statine untersucht und dort spielt sich dasselbe ab“, kommentierte der Experte. Außerdem sollten Fachleute alternative Kriterien zur Beurteilung von Übergewicht und Fettleibigkeit entwickeln und standardisieren. Dabei setzt der Onkologe Hoffnung in blutbasierte Tests.

Quelle: Yendamuri S. European Lung Cancer Congress 2024; Vortrag „How to unravel the obesity paradox in lung cancer“