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Verwirrung auf den Punkt gebracht Akute Bewusstseinsstörungen schnell einordnen
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Verlangsamt, verwirrt, wesensverändert: Wenn eine Person eine Bewusstseinsstörung aufweist, gilt es genau nachzufragen und hinzuschauen. So lassen sich bereits ambulant viele entscheidende Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung bzw. Ursache sammeln.
Die Ehefrau eines 68-Jährigen ruft besorgt einen Arzt an, weil ihr Mann sich seltsam verhalte und plötzlich vergesslich sei. Er war kurz zuvor von einer längeren Autofahrt nach einer Beerdigung zurückgekehrt und wirkt im Gespräch mit dem Arzt freundlich, stellt aber immer wieder die gleichen Fragen. An die Autofahrt kann er sich nicht erinnern. Mit diesem Fallbeispiel beschreibt Zoi Netou-Kandylidou, Fachärztin für Neurologie und Notärztin bei der Berliner Feuerwehr, die oft detektivische Herausforderung, wenn akute Wesensveränderungen diagnostisch einzuordnen sind. Der beschriebene Senior wies keine fokal-neurologischen Defizite auf. Es handelte sich um eine spontan reversible transiente globale Amnesie.
Zur sehr umfangreichen Differenzialdiagnose von akuten Bewusstseinsstörungen gehören als Ursachen auch Traumata, Intoxikationen, Infektionen (Meningoenzephalitis) oder Tumoren mit Beteiligung von Hirnstrukturen sowie vaskuläre, metabolische oder psychiatrische Krankheiten. Auch ein epileptischer Anfall ist möglich, zudem u. a. Delir, Hyperkapnie, Sauerstoffmangel, Exsikkose, Hitzschlag oder starke Schmerzen.
Wie die Autorin betont, sollte die Ärztin oder der Arzt nicht vorschnell eine Diagnose stellen, wenn z. B. eine Alkohol- oder psychische Krankheit bereits bekannt ist oder psychische Belastungsfaktoren berichtet werden. Auch dann können zusätzlich akut somatische Erkrankungen vorliegen, die rasch einer Therapie bedürfen.
Angehörige in die Anamnese einbeziehen
Bei der klinischen Einschätzung hilft die Untersuchung nach dem ABCDE-Schema (Atemwege, Beatmung, Kreislauf, neurologisches Defizit und Exploration) weiter. Nach der möglichst genauen Anamnese unter Hinzuziehung der Angehörigen sollte u. a. klar sein, wann welche konkreten Symptome auftraten, ob Begleiterkrankungen vorliegen oder Drogenkonsum besteht. Wichtig ist es zudem, sich über die Medikation und eine evtl. im Vorfeld erfolgte Therapie (z. B. eine Hämodialyse) zu informieren.
Im Rahmen der genaueren neurologischen Untersuchung sind quantitative von qualitativen Bewusstseinsstörungen zu unterscheiden. Um quantitativ den Wachheitsgrad zu bestimmen, wird oft die Glasgow Coma Scale genutzt. Diese ist aber nur für neurotraumatologische Patientinnen und Patienten validiert, wie die Autorin betont. Qualitative Störungen umfassen u. a. Einschränkungen der Kognition oder des Gedächtnisses, psychomotorische Auffälligkeiten, Wahn oder Apathie. Hinweise hierfür ergeben sich in der Regel im direkten Gespräch.
Neben einem möglichen Meningismus sind Sehfähigkeit, Augen und Pupillen zu überprüfen. So kann eine beidseitige Miosis bei Opioidintoxikation, aber auch bei Basilaristhrombose vorliegen, während eine Mydriasis neben einer Intoxikation auch Zeichen einer fortgeschrittenen Hirneinklemmung sein kann.
Fokale Hirnschädigung führt zu Sprechproblemen
Eine gestörte Okulomotorik und Pupillenreaktion sprechen für eine fokale Hirnschädigung. Das gilt auch für Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verständnis, Schluckstörungen, ein positives Babinski-Zeichen oder eine Hemi- bzw. Tetraparese.
Diskretere neurologische Symptome sind oft erst mithilfe genauerer Tests zu erkennen, z. B. beim Gehen oder mit dem Finger-Nase-Versuch. Motorische Auffälligkeiten sind ebenfalls wichtige Hinweise: Ein Flapping Tremor (Asterixis) beispielsweise tritt meist bei renaler oder hepatischer Enzephalopathie auf. Grundsätzlich liegt laut der Autorin bei akuten Bewusstseinsstörungen ohne fokale Defizite bei jüngeren Betroffenen meist eine Intoxikation zugrunde, bei älteren eher eine metabolische Erkrankung.
Auf eine Stoffwechselstörung kann auch eine Verfärbung der Haut hinweisen. Die genaue Inspektion der Haut lässt auch auf andere Ursachen rückschließen, wie Blutungsneigung, Exsikkose, Hypoxie oder Drogenkonsum bzw. Infektionen. Bei der Untersuchung von Schädel, Schilddrüse, Lunge, Herz und Abdomen liefert ein Point-of-Care-Ultraschall wichtige ergänzende Befunde. Grundsätzlich sind Messungen von Blutdruck, Blutglukose und Blutgasen wichtig. Gegebenenfalls noch vor einer weiteren Therapie in einer Klinik können je nach Befund Sauerstoff, Antipyretika oder Antihypertensiva gegeben werden und der Ausgleich des Glukosespiegels erfolgen. Schließlich mag das Gehirn, so die Autorin, einen Zustand des „Normo“ in Bezug auf Blutgase, Temperatur, Druck und Glukose.
Quelle: Netou-Kandylidou Z. Dtsch Med Wochenschr 2025; 150: 53-63; doi: 10.1055/a-2360-0999