Erstkontakt in der Hausarztpraxis DEGAM-Empfehlungen für das anamnestische Erstgespräch

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der erste Eindruck zählt – auch in der Hausarztpraxis. Eine aktuelle Handlungsempfehlung gibt Tipps für ein empathisches und strukturiertes Erstgespräch. Der erste Eindruck zählt – auch in der Hausarztpraxis. Eine aktuelle Handlungsempfehlung gibt Tipps für ein empathisches und strukturiertes Erstgespräch. © Studio Romantic - stock.adobe.com

Der erste Eindruck zählt– auch in der Hausarztpraxis. Eine aktuelle Handlungsempfehlung gibt Tipps für ein empathisches und strukturiertes Erstgespräch. Wer diese befolgt, kann langfristig nicht nur die Patientinnen und Patienten besser betreuen, sondern spart sich selbst viel Zeit.

Der erste Eindruck zählt – auch in der Hausarztpraxis. Eine aktuelle Handlungsempfehlung gibt Tipps für ein empathisches und strukturiertes Erstgespräch. Wer diese befolgt, kann langfristig nicht nur die Patientinnen und Patienten besser betreuen, sondern spart sich selbst viel Zeit.

Das anamnestische Erstgespräch stellt die Weichen für eine gelungene Beziehung mit neuen Patientinnen und Patienten. Für dieses Kennenlernen reichen in der Regel zwanzig Minuten aus, schreibt das Autorenteam einer DEGAM S1-Handlungsempfehlung. Die Gruppe hat dazu sieben Module erarbeitet.

Modul 1: Patientensicht

Die Fragen des Moduls 1 sollten bei allen erstmaligen Begegnungen gestellt werden. Man beginnt mit der Frage nach dem Grund des Besuchs, falls die oder der Betroffene nicht von selbst darauf zu sprechen kommt. Dann heißt es: Gut zuhören! Das sollte möglichst ohne Zwischenfragen erfolgen, aber mit Signalen der Bestätigung („Aha“, „Ja“, „Ich verstehe“). Dann gilt es, die Perspektive von Patientin oder Patient zu erfassen, also z. B. ihre oder seine Erklärung, woher die Symptome herrühren und etwaige Befürchtungen in Zusammenhang mit den Beschwerden. 

Man erfragt, was aus Patientensicht bisher gewirkt hat und was eher weniger. Auch die Erwartungshaltung der Patientin oder des Patienten ist von Bedeutung: Was verspricht sie oder er sich vom Gespräch und der Untersuchung? Nicht vergessen werden sollte zudem eine Zusammenfassung des Gehörten, also in etwa „Verstehe ich Sie richtig, dass …?“ und die abschließende Frage: „Haben Sie ein weiteres Anliegen?“

Modul 2: arztzentrierter Blick

Im zweiten Gesprächsbaustein geht es um die Arztperspektive. Am besten arbeitet man mit direkten Fragen. Von zentraler Bedeutung ist die differenzialdiagnostische Einordnung der Beschwerden sowie etwaige Warnsignale. Man erfragt Qualität, Quantität und Verlauf der Symptome („Wie?“, „Wo?“, „Was?“, „Wie oft?“). Auch auslösende Situationen gilt es zu eruieren („Wann wird es besser, wann schlechter?“) sowie etwaige weitere Beschwerden. Je nach Beratungsanlass sind schon jetzt vegetative Anamnese, Suchtverhalten und vorherige oder begleitende Erkrankungen zu erheben. Außerdem ist die aktuelle Medikation zu erfragen sowie allergische Erkrankungen und Unverträglichkeiten.

Modul 3: Alltagseinschränkungen

Im dritten Modul geht es um die Beeinträchtigung im Alltag. „Was gelingt Ihnen nicht mehr so gut?“, „Wann geht es Ihnen besser?“, „Was wäre ohne die Beschwerden möglich?“ sind geeignete Fragen. Zudem interessiert, wie Eltern, die Partnerin oder der Partner sowie der Kollegenkreis die Symptome einordnen. Wahrgenommene Gefühle sollten benannt oder erfragt werden: „Ich sehe, dass Ihnen das Angst macht.“ oder „Fühlten Sie sich im letzten Monat häufiger niedergeschlagen, traurig oder hoffnungslos?“.

Modul 4: Bewältigungsstrategien

Dieser Teil befasst sich mit den Bewältigungsstrategien. Hierbei helfen Fragen wie „Was tun Sie, wenn Sie sich schlecht fühlen oder Schmerzen haben?“ oder „Wie gut und wie dauerhaft wirkt das?“. Zudem gilt es, Ressourcen zu ermitteln, also Stärken, Lebensleistungen und Hobbies. Schließlich interessiert, was die Patientin oder der Patient in ihrem oder seinem Leben gut bewältigt hat, was dabei unterstützt hat und wer oder was ihr oder ihm jetzt helfen könnte.

Modul 5: biografische Anamnese

Baustein 5 widmet sich dem Lebenshintergrund der Patientin oder des Patienten. Dazu zählen Informationen, wie in der Herkunftsfamilie mit Schmerzen und Krankheit umgegangen wurde. Geburtsort und -datum können auf schwierige Erfahrungen wie eine Kindheit im Krieg hinweisen und liefern Informationen zum kulturellen Hintergrund. 

Das Alter der Eltern bei der Geburt und deren Berufe sollten erfragt werden, ebenso die Position in der Geschwisterreihe. Zu achten ist auf lebensgeschichtliche Leistungen und besondere Ereignisse, Trennungen und Verluste. Auch schulischer Werdegang, Ausbildung, Arbeitssituation, Familienstand und eigene Kinder bzw. Enkel sind in diesem Zusammenhang von Interesse.

Modul 6: Patientenziele

Um die kurz- und langfristigen Patientenziele zu erfahren, bieten sich Fragen wie „Was soll Ihnen wieder oder trotzdem möglich werden?“ an. Eventuell kann man die Diagnostik schon zu diesem Zeitpunkt beenden. Außerdem vereinbart man mit der oder dem Erkrankten, wann sie oder er wiederkommen soll– mit der Frage, ob dies ihren oder seinen Vorstellungen entspricht. Abschließlich nennt man Alarmsymptome, bei denen die frühere Wiedervorstellung erforderlich wird.

Modul 7: Dokumentation

Nach der Verabschiedung der Patientin oder des Patienten sollte man sich die Zeit für Notizen nehmen, um das Gespräch zu dokumentieren. 

Quelle: DEGAM-S1-Handlungsempfehlung „Das anamnestische Erstgespräch in der hausärztlichen Praxis – Module der Gesprächsführung mit einer/m bisher unbekannten Patientin oder Patienten“; AWMF-Register-Nr. 053-065; www.awmf.org