Früherkennungsmaßnahmen Dem Pankreaskarzinom keine Chance lassen

Autor: Dr. Franziska Hainer

Dieses Asinuszellkarzinom im Bereich des Pankreasschwanzes stellt sich in der CT als zentral hypodense, regressiv veränderte Raumforderung mit relativ glattem Rand dar. Dieses Asinuszellkarzinom im Bereich des Pankreasschwanzes stellt sich in der CT als zentral hypodense, regressiv veränderte Raumforderung mit relativ glattem Rand dar. © wikimedia/Hellerhoff

Das Pankreaskarzinom ist auf dem Vormarsch. Schon heute steht es auf Platz 3 der tumorbedingten Todesursachen, bis 2050 wird es Spitzenreiter sein. Gegensteuern lässt sich auf zweierlei Weise: Risikofaktoren minimieren und die Früherkennung verbessern. Bei Letzterer könnten bald Biomarker und künstliche Intelligenz helfen.

Die allermeisten Pankreaskarzinome entstehen sporadisch und ohne Familienanamnese. Sie werden i.d.R. erst spät erkannt und haben neben dem Mesotheliom die niedrigste Überlebensrate unter allen Krebserkrankungen. Betroffen sind immer mehr junge Männer und Frauen. Bei den 25- bis 29-Jährigen stieg zwischen 1995 und 2014 die Zahl der Erkrankungsfälle pro Jahr um 4,3 %. Bei den 30- bis 34-Jährigen betrug der Zuwachs 2,5 %, bei den 35- bis 39-Jährigen 1,3 % und bei den 40- bis 84-Jährigen nur 1 %. Warum das Malignom eine besonders starke Zunahme bei jungen Erwachsenen zeigt, ist unbekannt, schreibt Prof. Hans Scherübl 
vom Vivantes-Klinikum am Urban in Berlin. 

Für die Primärprävention des sporadischen Pankreaskarzinoms gibt es effektive Möglichkeiten. Die beeinflussbaren Risikofaktoren sind bekannt und reichen vom Tabakrauchen bis zum metabolischen Syndrom. Insgesamt können Lebensstilveränderungen das Pankreas­krebsrisiko um 40 % und mehr reduzieren.

Spitzenreiter Deutschland

Bei der altersstandardisierten Sterblichkeit am Pankreaskarzinom nimmt Deutschland mit 8,4/100.000 (Männer) und 6/100.000 (Frauen) die führende Rolle ein. Zum Vergleich: In Spanien liegen die Raten bei 6,5 bzw. 4,0/100.000. Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich verzeichnen Großbritannien, Spanien und Polen sinkende Mortalitätsraten bei den Männern. Bei den Frauen zeigt sich bis auf Polen und Großbritannien ein Trend zu ansteigenden Mortalitätsraten. Eine Erklärung für diese epidemiologischen Unterschiede gibt es bisher nicht.

Rauchen

26 % der Pankreaskrebstodesfälle sind durch Rauchen verursacht. Ta­bakkonsum verdoppelt das Risiko für ein Pankreaskarzinom, bei stärksten Rauchern verfünffacht es sich sogar. Wird das Rauchen aufgegeben, fällt das Risiko nachweislich ab. Passivrauchen in der Kindheit geht zudem mit einem erhöhten Pankreas­krebsrisiko im Erwachsenenalter einher. Dies ist umso bedeutender, als das 40 % der Kinder und Jugendliche mit mindestens einem rauchenden Elternteil zusammenleben. 

Alkohol

3 bis 5 % der Pankreaskarzinome werden durch Alkohol verursacht, mehr als drei Drinks/Tag steigern das Risiko dafür signifikant. Kommt Rauchen hinzu, ist das Pankreaskrebsrisiko sogar schon bei geringem bis moderatem Alkoholkonsum erhöht. Tabak- und Alkoholgebrauch begünstigen zudem die Entwicklung einer chronischen Pankreatitis, die ebenfalls mit einem erhöhten Pankreaskrebsrisiko assoziiert ist.

Adipositas und metabolisches Syndrom

Zwischen Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m²) und Pankreaskrebs gibt es eine Dosis-Wirkungsbeziehung: Pro 5 kg/m2 Übergewicht steigt das Risiko um 10 % an. Bei adipösen Patienten mit NASH oder Diabetes können bariatrische Operationen das Risiko um 50 % verringern. Auch das metabolische Syndrom erhöht das Risiko. Kommt der Patient in Remission, bildet es sich wieder zurück. 

Diabetes

Ein über fünf Jahre bestehender Typ-2-Diabetes steigert das Risiko für ein Pankreaskarzinom bis zum Zweifachen. Wird der Zucker gut eingestellt, sinkt die Gefahr wieder. Doch ein Diabetes ist nicht nur Risikofaktor für das Pankreaskarzinom. Umgekehrt können Pankreastumoren über diabetogene Mediatoren selbst einen Diabetes auslösen. Ein neu diagnostizierter Diabetes nach dem 50. Lebensjahr muss deshalb immer aufhorchen lassen: Er kann das Symptom eines Pankreastumors sein. Allgemein gilt: Wer nach dem 50. Lebensjahr einen Diabetes entwickelt, hat in den folgenden drei Jahren ein um das 5-Fache erhöhtes Risiko für ein Pankreaskarzinom. Bei gleichzeitigem Gewichtsverlust steigt es sogar auf das 10- bis 25-Fache.

Früherkennung

Aktuell gilt die Früherkennung als wesentlich für eine Verlängerung der Langzeitüberlebenszeit bei Patienten mit Pankreaskrebs. Doch obwohl CT, MRT und Endosonografie hochspezifisch und sensitiv für dessen Nachweis sind, werden bislang nur 3 % der asymptomatischen Pankreaskarzinome im Stadium IA diagnostiziert. Vor dem Hintergrund, dass sich die 5-Jahres-Überlebensrate in diesem Stadium inzwischen von 45 % auf 84 % erhöht hat, sind dringend weitere Maßnahmen zur Früherkennung erforderlich.

Eine Möglichkeit zur Frühdiagnose bei Patienten mit neu diagnostiziertem Diabetes könnte in naher Zukunft der Nachweis der durch das Karzinom freigesetzten diabetogenen Mediatoren sein. Diese exosomale microRNA lässt sich bereits im asymptomatischen IA-Stadium im Plasma nachweisen. Die Zuverlässigkeit der dafür eingesetzten High-Conductance Dielektrophorese soll bei > 95,5 % liegen. Bestätigen sich diese Befunde, wäre dies ein Meilenstein zur Früherkennung des Pankreaskarzinoms bei diesen Patienten, schreibt Prof. Scherübel. Schon jetzt arbeiten Forscherteams an Biomarkern auf Basis dieser Exosome.

Auch mikrobielle Signaturen von Mikroorganismen gelten als aussichtsreicher Angriffspunkt für die Entwicklung von Biomarkern für das Malignom. Die Untersuchung von oralen Mikrobiota und Stuhlproben hat im Rahmen von Studien bereits zur Entschlüsselung entsprechender Codes geführt. 

Mithilfe künstlicher Intelligenz lassen sich inzwischen sogar subklinische Pankreaskarzinome in der CT darstellen. Die Algorithmen sind der Befundung durch das menschliche Auge deutlich überlegen. Sie können das Krebsrisiko schon ein Jahr vor der klinischen Diagnose vorhersagen, und zwar mit einer Zuverlässigkeit von 74 bis 98 %.

Quelle: Scherübl H Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 246-252; DOI: 10.1055/a-1975-2366