Myofasziales Syndrom Den Fokus auf den Rücken richten
Um herauszufinden, warum es im unteren Rücken schmerzt, kommen häufig aufwendige und kostspielige Untersuchungen zum Einsatz. Dennoch bleibt bei vier von fünf Patienten die Ursache für die Beschwerden unklar, schreiben Dr. Hannes Müller-Ehrenberg, niedergelassener Orthopäde in Münster, und PD Dr. Johannes Fleckenstein von der Universität Frankfurt.
Weiterhelfen könnte die Untersuchung von Muskeln und Faszien. Das myofasziale Gewebe macht bis zu 50 % der Körpermasse aus und kann bei der Entstehung von Schmerzen an verschiedenen Stellen des Bewegungsapparates eine Rolle spielen. Beim myofaszialen Syndrom lassen sich lokale schmerzempfindliche Verdickungen von Muskelfasern und dem kollagenösen Fasziengewebe als Verhärtungen ertasten. Diese Triggerpunkte verursachen z.T. Beschwerden, die den radikulären oder pseudoradikulären Symptomen des lumbalen Rückenschmerzes ähneln: Typischerweise kommt es neben lokalem oder ausstrahlendem Schmerz zu Einschränkungen von Gelenkbeweglichkeit und Kraft sowie Dysästhesien.
Abtasten von Muskeln und Faszien gehört zum Check
Zur Abklärung von lumbalen Rückenschmerzen sollte deshalb neben einer ausführlichen neuroorthopädischen Untersuchung auch das Abtasten der myofaszialen Strukturen gehören. Für eine positive Diagnose nennen die Autoren klare Kriterien:
- Ertastbarkeit des muskulären Hartspannstrangs (Taut-Band)
- Vorhandensein von Knötchen auf dem Hartspannstrang mit verstärktem Druckschmerz
- Wiedererkennung des Schmerzes („recognition“) bei Palpation
- charakteristischer Übertragungsschmerz („referred pain“) bei Palpation
- lokale Zuckungsreaktion („local twitch“) bei Palpation
Zur spezifischen Diagnostik eignet sich außerdem die myofasziale Stoßwellentherapie, die auch tiefer gelegene Gewebeschichten zielgenau erreicht. Das nicht-invasive Verfahren stimuliert myofasziale Triggerpunkte präzise und kann die Diagnosekriterien Wiedererkennung und Übertragungsschmerz einfacher, häufiger und zuverlässiger auslösen als die Tastuntersuchung, berichten die Autoren. In einer Studie mit 23 Patienten mit lumbalen oder glutealen Schmerzen führte die Stoßwellentherapie bei über 80 % der Betroffenen zu Übertragungsschmerzen, bei etwa 70 % kam es zum Wiedererkennen der Schmerzsymptomatik.
Fokussierte Stoßwellen dienen zudem der Therapie. Über die Behandlung von Verkalkungen oder Fersensporn hinaus haben sie sich mittlerweile auch bei lumbalen Rückenschmerzen bewährt. Damit reiht sich das Verfahren in die Liste von Behandlungsoptionen wie Akupunktur und Injektionen ein. Leitliniengemäß werden die identifizierten Triggerpunkte mit niedrig- bis mittelenergetischen Stoßwellen behandelt. Wichtig sei jedoch, das Verfahren stets in ein integratives multimodales Behandlungskonzept einzubetten, betonen die Autoren. Zudem regen sie an, die Kosteneffizienz der Stoßwellentherapie sowie ihre Relevanz im Vergleich zu anderen Verfahren weiter zu untersuchen.
Quelle: Müller-Ehrenberg H, Fleckenstein J. Schmerzmedizin 2022; 39: 43-45; DOI: 10.1007/s00940-022-4085-x