Dysphagie bei Schlaganfallpatienten Den Kloß im Hals runterschlucken
Bis zu 75 % der Patienten haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten beim Schlucken. Ihnen drohen Aspirationspneumonien und eine Mangelernährung – beides steht der Erholung nach einem Insult entgegen, betonen Dr. Bendix Labeit vom Universitätsklinikum Münster und Kollegen. Neurologen sollten eine Dysphagie bei ihren Schlaganfallpatienten daher so früh wie möglich erkennen, mit einem ersten Screening innerhalb von 2 h nach stationärer Aufnahme und einer instrumentellen Diagnostik innerhalb von 48 h.
Die einfachste Methode besteht darin, dem wachen Patienten etwas Wasser zu geben und zu beobachten, was passiert: Muss er husten, läuft ihm das Wasser wieder aus dem Mund, entwickelt er einen Stridor? All das kann auf eine Aspiration hinweisen.
Zunehmende Volumina von Breikost und Flüssigkeit testen
Ein komplexeres Protokoll bietet der Gugging Swallowing Screen (GUSS): Dabei beobachtet der Untersucher den Kranken zunächst einmal in Ruhe und prüft, ob dieser seinen eigenen Speichel schlucken kann. Wenn ja, geht es weiter mit der Gabe von Breikost und klarer Flüssigkeit in zunehmenden Volumina, am Ende auch fester Kost. Wenn bei einem der Tests Zeichen für eine Aspiration auftauchen, wird sofort abgebrochen.
Daraus resultiert nicht nur ein einfaches „kann schlucken“ oder „kann nicht schlucken“, sondern die Dysphagie wird in vier Schweregrade eingeteilt (keine, leichte, moderate, schwere). Aus diesem Resultat lassen sich Ernährungsempfehlungen ableiten. Cochrane-Reviewer haben dem GUSS unter den verbreiteten Tests die Bestnote erteilt, wenn auch nur auf Grundlage weniger Studien und kleiner Stichproben.
Eine ähnliche Untersuchung mit Getränken bzw. Nahrung in verschiedenen Konsistenzen ist der Volume-Viscosity Swallow Test (V-VST). Darin wird außerdem überprüft, wie sicher der Schluckakt abläuft (unbefriedigend, wenn die Sauerstoffsättigung um mindestens drei Prozentpunkte abfällt) und wie effektiv der Patient schluckt, also ob Reste im Mund oder Rachen zurückbleiben.
Zu den Risikofaktoren für eine Dysphagie, die man bei der Untersuchung im Hinterkopf behalten sollte, zählen:
- Fazialisparese
- Sprachstörungen bis zur Aphasie
- Schweregrad des Schlaganfalls auf der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) ≥ 10 für supratentoriell bzw. ≥ 6 für infratentorielle lokalisierte Infarkte
Die klinische Evaluation ist jedoch nicht unbedingt zuverlässig, warnen die Autoren. Die Hälfte bis zwei Drittel der Patienten könnten danach falsche Ernährungsempfehlungen erhalten, wie Studien zeigen. Als Goldstandard der Dysphagiediagnostik gilt daher die instrumentelle Untersuchung mittels flexibler Endoskopie oder Videofluoroskopie.
Instrumentelle Diagnose beschleunigt die Genesung
Werden diese Verfahren frühzeitig angewendet und die Ernährungsempfehlungen daraufhin angepasst, kann das die Genesungszeit verkürzen. Die beiden Methoden weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile auf (s. Tabelle).
Instrumentelle Diagnostik bei Verdacht auf Dysphagie nach Schlaganfall | ||
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| Flexible Endoskopie | Videofluoroskopie |
Vorgehen | transnasales Einbringen des Endoskops bis in den Rachen, sodass der Untersucher Pharynx und Larynx beim anschließenden Schluckversuch direkt beobachten kann | radiologische Durchleuchtung des Patienten, während er einen kontrastmittelhaltigen Bolus schluckt |
Bewertung | Die FEDSS (Fiberoptic Endoscopic Dysphagia Severity Scale) teilt den Befund in sechs Schweregrade ein, wobei 1 für „keine relevante Dysphagie“ steht, 6 für „schwere Dysphagie“ | Die Penetration-Aspiration Scale (PAS) mit 1–8 Punkten charakterisiert das Ausmaß, in dem der geschluckte Bolus in die Atemwege gelangt |
Vorteile |
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Nachteile |
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mod. nach Labeit et al. |
Insgesamt ist die Versorgung von Dysphagie-Patienten noch nicht optimal, betonen die Kollegen. So fehlt es etwa an Dysphagie-Skalen, die sensibel für klinisch relevante Veränderungen sind. Auch könnten neue Verfahren die Diagnostik in der Zukunft erweitern, etwa MRT-Untersuchungen mit einer zeitlich hoch aufgelösten Darstellung des Schluckakts oder die Ableitung motorischer und sensorischer evozierter Potenziale aus dem Pharynx.
Quelle: Labeit B et al. Lancet Neurol 2023; 22: 858-870; DOI: 10.1016/S1474-4422(23)00153-9