Schlaganfallversorgung Therapie mit Köpfchen
Hirninfarktdiagnosen haben von 2011 bis 2019 um 7,4 % zugenommen. Im Jahr 2019 wurden 225.531 Fälle registriert. Das geht aus DRG-Registerdaten hervor, die sich auf diese Hauptdiagnose (ICD-10 163) beziehen. Prof. Dr. Christos Krogias vom Katholischen Klinikum Bochum und Kollegen werteten die Daten aus. In die Analyse flossen die Ziffern zur neurologischen Komplexbehandlung (entspricht in etwa der Therapie in der Stroke-Unit), zur systemischen Thrombolyse und zur Thrombektomie ein.
Rate an Thrombektomien hat sich fast versechsfacht
Der Anteil der Patienten, die eine neurologische Komplexbehandlung bekamen, ist zwischen 2011 und 2019 von 60,6 % auf 74,4 % gestiegen, d.h. um 31,9 %. 2011 haben 9,1 % der Patienten eine Thrombolyse erhalten, 2019 waren es 16,3 %, d.h. fast doppelt so viele. Die Raten an Thrombektomien hat sich von 1,3 % auf 7,2 % fast versechsfacht. Im Vergleich der Bundesländer war die Stroke-Unit-Rate relativ homogen verteilt. Bei der Thrombolyserate zeigte sich allerdings eine etwas größere Streuung und eine noch größere bei den Thrombektomien. Sachsen und Sachsen-Anhalt gehörten zu den Schlusslichtern, während Schleswig-Holstein und NRW an der Spitze lagen.
Unterschiede gab es auch abhängig vom Urbanisierungsgrad. In ländlichen Kreisen war die Stroke-Unit-Rate zwar etwas, aber nicht signifikant kleiner als in städtischen. Ähnlich sah es für die Lyserate aus. Signifikant fiel der Unterschied zwischen ländlichen, dünn besiedelten Kreisen und Ballungsräumen in der Thrombektomierate aus. Die Anzahl von Kliniken, die Thrombektomien durchführen, ist inzwischen deutlich gestiegen. Im Jahr 2010 waren es noch 60 gewesen, 2019 bereits 190, davon 71 Kliniken mit über 100 und 15 mit über 200 Thrombektomien jährlich. Berücksichtigt man auch noch die Zentren mit mehr als 50 Eingriffen jährlich, kommt man auf 114 Kliniken, in denen 88,6 % der Thrombektomien vorgenommen wurden.
Der Trend geht also stark hin zu großen Zentren mit überregionalem Einzugsgebiet. Prof. Korgias begrüßte diese Entwicklung, weil die Qualität der interventionellen Behandlung steige. Er gab jedoch zu bedenken, dass die Kompetenz der Indikationsstellung in kleineren Häusern und damit in der Fläche verloren gehen könnte.
Dr. Björn Misselwitz von der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen, Eschborn, fügte aktuelle Ergebnisse zur Versorgungsqualität des akuten ischämischen Schlaganfalls aus den Schlaganfallregistern der ADSR* hinzu. Im Jahr 2020 wurden 176.663 Hirninfarkte behandelt, 2018 waren es 184.028 gewesen. Die Rate der systemischen Thrombolyse lag 2018 bei 17,2 % und veränderte sich bis 2020 kaum. Die Thrombektomierate dagegen nahm von 6,4 % auf 8,5 % zu.
In den diagnostischen ADSR-Qualitätsindikatoren lagen die Einrichtungen durchschnittlich im gewünschten Referenzbereich: Bei knapp 70 % der Patienten wurde eine erste Bildgebung innerhalb von 30 Minuten realisiert, bei über 85 % eine Angiographie im Anschluss daran. Eine Gefäßdiagnostik spätestens am Folgetag, ein Screening für Schluckstörungen und eine Diagnostik für Vorhofflimmern erhielten jeweils über 90 % der Patienten.
Qualität im ersten Pandemiejahr nicht verschlechtert
Auch in der Akuttherapie lagen die meisten Qualitätsindikatoren im grünen Bereich: Fast 95 % der Patienten wurden auf Stroke-Units behandelt, 70 % der dafür geeigneten Patienten erhielten eine Thrombolyse, knapp 80 % eine intraarterielle Therapie bei Gefäßverschluss. In der Door-to-Lyse-Zeit (≤ 60 min) bewegen sich die Zahlen noch etwas unter den gewünschten 90 %, während sich der Anteil der thrombektomierten Patienten mit einer Door-to-Puncture-Zeit von ≤ 90 Minuten mit 65 % im Referenzbereich befand.
Im Zielbereich lagen durchweg auch die Qualitätsindikatoren zur Sekundärprophylaxe und Rehabilitation. Insgesamt haben sich die Ergebnisse bei den Qualitätsindikatoren im Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu 2018 nicht verschlechtert, betonte Dr. Misselwitz abschließend.
* Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Schlaganfallregister
Kongressbericht: Arbeitstagung Neurointensivmedizin 2022