Cataracta secundaria Der Star nach dem Star
Seit einigen Wochen sieht der 76-jährige Patient auf dem linken Auge unscharf – wie durch ein beschlagenes Brillenglas. Das Lesen fällt ihm schwer, auch fühlt er sich im Dunkeln schnell von Lichtquellen geblendet, weshalb er auf abendliche Autofahrten verzichtet. Medikamente nimmt er nicht; außer der Visusminderung hat er keine weiteren ophthalmologischen Symptome.
Beidseitig Kunstlinsen und totzdem eine Katarakt?
In der augenärztlichen Ambulanz, in der sich der Rentner mit seinem Problem vorstellt, erscheinen beide Augen äußerlich unauffällig. Der Fernvisus beträgt rechts 1.0, links mit Mühe 0.7. Eine Katarakt sollte ausgeschlossen sein, da der Patient bereits drei Jahre zuvor wegen eines fortgeschrittenen Altersstars beidseits eine Kunstlinse implantiert bekommen hatte. Doch in der Spaltlampenuntersuchung zeigen sich im regredienten Licht kleinblasige Eintrübungen an der Hinterkapsel des linken Auges, die wohl die Visusverschlechterung verursachen. Bei direkter Beleuchtung entpuppen sie sich als großflächige Trübung.
Anamnese und Augenuntersuchung deuten auf einen typischen Fall des Nachstars, der Cataracta secundaria, hin, berichten Dr. Simon Trick und Dr. Hans-Walter Roth vom Institut für wissenschaftliche Kontaktoptik Ulm. Dabei reduziert sich die zunächst gute Sehschärfe einige Monate oder Jahre nach einer Kataraktoperation wieder. Mit Raten von 10–30 % ist es die am häufigsten auftretende Spätkomplikation nach einer OP des Grauen Stars.
Man unterscheidet zwei Formen: Bei der häufigeren, „regeneratorischen“ Variante migrieren und proliferieren nach der OP verbliebene Linsenepithelzellen entlang der Hinterkapsel in die optische Achse und trüben dadurch die Sicht. Seltener ist der „fibrotische“ Nachstar, bei dem sich Epithelzellen zu bindegewebsproduzierenden Zellen entwickeln und es zu einer fibrotischen Pseudometaplasie kommt.
Die Cataracta secundaria kann in den meisten Fällen ambulant mit einer Kapsulotomie per YAG-Laser behandelt werden. Dabei wird die getrübte Hinterkapsel durchtrennt, um die Sehschärfe wiederherzustellen. Der Eingriff ist generell komplikationsarm. Manchmal schwimmen hinterher noch Nachstarreste im Glaskörper, die den Patienten als schwarze Punkte im Gesichtsfeld erscheinen. Außerdem kann in den ersten 48 Stunden postoperativ der Augeninnendruck steigen, weshalb sich eine kurzfristige Nachkontrolle empfiehlt. Seltener beobachtet man ein Makulaödem oder eine Netzhautablösung.
Bei ihrem Patienten in Ulm diagnostizierten die Kollegen einen regeneratorischen Nachstar, die Therapie erfolgte per Kapsulotomie. Die Kontrolle einen Tag später ergab nicht nur einen Augeninnendruck im Normbereich. Der Patient erreichte auch auf dem linken Auge wieder eine Sehschärfe von 1.0 und war generell beschwerdefrei.
Quelle: Trick S, Roth HW. Der Augenspiegel 2022; 68: 34-35 © Eyepress Fachmedien GmbH, Mülheim a. d. Ruhr