Akute Hepatitis Die Liste der Übeltäter wird immer länger
Ende März 2022 wurde in Schottland erstmals von Kindern berichtet, die an einer schweren AH unklarere Ätiologie erkrankt waren. Rasch nahm die Fallzahl zu und die Diagnosen breiteten sich in Europa und weltweit aus.1 Im Juli 2022 zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO über 1.000 Fälle weltweit in 35 Ländern. Es gab Todesfälle und eine ganze Reihe der pädiatrischen Patienten mussten für eine Lebertransplantation gelistet werden, berichtete Prof. Dr. Dr. Alessio Aghemo, Hepatologe an der Humanitas Universität in Rozzano (Italien) anlässlich der United European Gastroenterology Week (UEGW) 2023. Bei vielen Patienten konnte das humane Adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2) nachgewiesen werden, das alleine keine AH auslöst, wohl aber bei Personen mit einer genetischen Prädisposition: Das HLA-Klasse-II-Allel HLA-DRB1*04:01 wurde bei 93 % der Kinder einer Fallserie gefunden, die normale Frequenz in der Bevölkerung liegt bei etwa 16 %.1
Bei einer AH ist immer das Risiko eines Leberversagens einzukalkulieren. Daher ist es wichtig, die Ursache rasch herauszufinden, um spezifisch behandeln zu können. Bei den viralen Auslösern sind nicht nur Infektionen mit Hepatitis-A- bis -E-Viren abzuklären, sondern auch Infektionen mit Herpes-simplex-Viren, Eppstein-Barr-Viren und Cytomegalie-Viren. Klinische Faktoren können bei der Einschätzung helfen, ob solche nicht hepatotrope Viren als Auslöser der AH infrage kommen. In einer südkoreanischen prospektiven Studie zeigte sich
- Fieber am häufigsten bei einer Hepatitis-A-Virus(HAV)-Infektion oder bei einer Infektion mit nicht hepatotropen Viren,
- die höchste Leukozytenzahl bei nicht hepatotropen Viren
- die höchsten ALT-Werte bei HAV- und HBV-Infektionen und
- die höchsten Gamma-GT-Werte bei HAV, HBV und HEV.2
Auch COVID-19 wird als Auslöser einer AH diskutiert. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob nicht andere Ursachen zu einer AH im Verlauf der Erkrankung geführt haben. Die häufigsten Berichte stammten aus der ersten Erkrankungswelle, erläuterte Prof. Aghema. Viele Patienten waren zu dieser Zeit erst sehr spät ins Krankenhaus gekommen und hatten zuvor eine Reihe potenziell lebertoxischer Medikamente eingenommen. Positiv hob er hervor, dass die AH im Zusammenhang mit COVID-19 nach dem aktuellen Stand selbstlimitierend verläuft und keiner Behandlung bedarf.
Das Dengue-Virus, das aufgrund des Klimawandels auch schon Europa erreicht hat, kann zu schweren Organschäden auch an der Leber führen. In einer indischen Kohorte erkrankte die Hälfte der Patienten mit einer Dengue-Infektion schwer und mehr als ein Drittel (37 %) wies ALT- oder AST-Werte ≥ 1.000 IU/l auf.3 Eine schwere Dengue-Hepatitis, ein akutes Leberversagen oder eine Enzephalopathie gingen mit einer besonders hohen Dengue-Mortalität einher.
Quelle: UEG* Week 2023
* United European Gastroenterology
1 Ho A et al. Nature 2023; 617: 555-563; DOI: 10.1038/s41586-023-05948-2
2 Jeong CY et al. Sci Rep 2023; 13: 14271; DOI: 10.1038/s41598-023-40775-5
3 Prajapati P et al. Indian J Gastroenterol 2023; 42: 355-360; DOI: 10.1007/s12664-023-01405-0