Lebertransplantation sogar bei akut-auf-chronischem Versagen sinnvoll
Gerade erst wurde drei Medizinern für ihre Entdeckung des Hepatitis-C-Virus im Jahr 1989 der Nobelpreis verliehen. Mittlerweile lassen sich Zirrhosen auf dem Boden von Virushepatitiden gut kontrollieren, weshalb sie als Indikation für eine Lebertransplantation zunehmend in den Hintergrund rücken. Ihren Platz eingenommen haben hepatozelluläre Karzinome und die Spätfolgen (nicht-)alkoholassoziierter Lebererkrankungen, schreiben der Internist Dr. Niklas F. Aehling vom Universitätsklinikum Leipzig und Kollegen.
Aktuell werden jene Patienten bei der Zuweisung eines Spenderorgans bevorzugt, die gemäß MELD-Score (Model of Endstage Liver Disease) am schwersten erkrankt sind. Der Score erlaubt eine Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten drei Monaten an einer Lebererkrankung zu sterben. Allerdings bildet das System nicht für jeden Patienten dessen Dringlichkeit adäquat ab, weshalb die Bundesärztekammer eine individuelle Adaptation ihrer Richtlinien erlaubt, erinnern die Autoren.
Ein gutes Beispiel für die Grenzen des MELD-Scores ist das „akut-auf-chronische Leberversagen“, ein Syndrom, das neben einer dekompensierten Zirrhose von weiteren versagenden Organen gekennzeichnet ist. Problem dabei sei laut den Leipziger Kollegen, dass Ärzte die Betroffenen oftmals als zu krank einschätzen, um sie überhaupt für einen Platz auf einer Warteliste in Erwägung zu ziehen. Dabei könne eine Transplantation – wenn auch in einem begrenzten Zeitfenster – sehr wohl erfolgreich sein, sogar mit guter Langzeitprognose.
Mailand oder Madrid? Hauptsache, die Prognose stimmt
- max. drei Malignomherden in der Leber (≤ 3 cm) oder einem Herd mit ≤ 5 cm
- tumorfreie Hauptlebergefäße
- keine Fernmetastasen
Krebskranke in spezialisierte Zentren überweisen
Zunehmend sprechen die Erfolgsraten der Transplantation bei akuter Alkoholhepatitis – sprich ohne irgendeine Karenzzeit – dafür, dass sogar bei Betroffenen mit dekompensierter alkoholbedingter Zirrhose individuell entschieden werden sollte, schreiben die Autoren. Hierzulande ist dies mit dem Gutachten einer von der Bundesärztekammer benannten Sachverständigengruppe möglich. Aufgrund der Organknappheit müssen Ärzte sogar beim Leberzellkarzinom jene Patienten priorisieren, die ein möglichst geringes Rezidivrisiko aufweisen. Grundlage dafür bilden in der Regel die „HCC-Mailand-Kriterien“ (s. Kasten). Die Autoren raten jedoch dazu, Betroffene in jedem Fall an ein spezialisiertes Zentrum zu überweisen, da sich der Tumor beispielsweise durch eine neoadjuvante Therapie in ein prognostisch günstiges Stadium „downstagen“ lässt.Quelle: Aehling NF et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1124-1131; DOI: 10.1055/a-0982-0737