Coronapandemie: Transplantationszentren kämpfen mit Beschränkungen
Als das Global Committee der European Association for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) das Symposium zum 46. Jahreskongress der Gesellschaft plante, wusste es noch nicht, wie aktuell das Thema sein würde. Doch schon damals galt der Einfluss von Infektionen auf die Durchführung und den Erfolg der hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) weltweit als relevantes Thema. Laut Professor Dr. Rodrigo Martino vom Hospital de la Santa Creu in Barcelona kann man beispielsweise in Katalonien jedes Jahr 16 bis 30 „Epidemien“ von akuten Atemwegsinfektionen durch Viren beobachten. Ein gefürchtetes Szenario ist, dass sich solche Ausbrüche auch in den Transplantationseinheiten verbreiten. Denn Immuninkompetente sind stärker und wesentlich länger hochansteckend als Menschen mit einer guten Abwehr.
HSCT-Patienten sollte man deshalb auf virale Atemwegsinfekte prüfen. Wie Tests am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle 2009 ergaben, hatten von 215 Patienten 64 (30 %) eine Infektion mit Rhino- oder Coronaviren entwickelt.1 Die 100-Tage-Inzidenz für Rhinovirus-Atemwegsinfekte betrug 22,3 %, für Infekte mit einem Coronavirus 11,1 %.
Prognose bei COVID-19
Quelle: Piñana JL et al. Exp Hematol Oncol 2020; 9: 21; DOI: 10.1186/s40164-020-00177-z
„Ein kriegsähnliches Szenario“
Die Erkrankten verbreiteten im Median drei Wochen lang die Erreger, einige aber auch drei Monate und länger. Aufgrund der hohen Inzidenz und Infektiosität werden virale Atemwegserkrankungen für Transplantationspatienten zum Problem. Gehen sie auf die unteren Atemwege über – alleine oder mit bakterieller Koinfektion – und mit indirekten systemischen Effekten einher, birgt dies ein zusätzliches Risiko. Im März 2020 stieg in Katalonien die allgemeine Sterberate dramatisch an, erzählte Prof. Martino weiter. Etwa der Hälfte der Todesfälle lag ein bisher nicht im Monitoring berücksichtigtes SARS-CoV-2 zugrunde. „Meine Abteilung glich von einem Tag auf den anderen einem kriegsähnlichen Szenario“, erinnerte sich der Kollege. Zwischen März und Juni schlossen hunderte Transplantationszentren in Europa. Eine große Zahl von allogenen HSCT und CAR-T-Zell-Therapien wurde abgesagt und viele der davon betroffenen Patienten starben indirekt an den Folgen der Pandemie.Kryokonservierte statt frische Stammzellen nun die Regel
Nach der vorsichtigen Öffnung stehen die Transplantationszentren nun vor neuen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Transplantation hämatopoetischer Stammzellen von nicht verwandten Spendern. Bevorzugt werden statt frischer jetzt kryokonservierte Zellen, die am besten direkt im Stammzelllabor des Transplantationszentrums hergestellt werden sollten. Aufgrund des aktuell komplizierten Transports (siehe Kasten) und der teils langen Zeit zwischen Zellgewinnung und Kryokonservierung kommen Fragen zur Qualität des Endprodukts auf.Zellen auf Reisen
Quelle: Bosbach F. Virtual 46th Annual Meeting of the EBMT; Transplant Coordinator Day 2-1
Quellen:
1. Milano F et al. Blood 2010; 115: 2088–2094; DOI: 10.1182/blood-2009-09-244152
Martino R. Virtual 46th Annual Meeting of the EBMT; Special Session 2-2