Schilddrüsenkrebs Die meisten Karzinome werden bei asymptomatischen Patient:innen entdeckt
Wissenschafler:innen um Prof. Dr. Mirabelle Sajisevi, University of Vermont Medical Center, Burlington, untersuchten in einer retrospektiven Analyse zwei Aspekte: Ob sich die Methoden zur Identifizierung von Schilddrüsenknoten für die chirurgische Entfernung im Vergleich zu historischen Daten geändert haben und ob sie sich je nach geografischem Standort unterscheiden. Hierfür griffen sie auf die pathologischen und medizinischen Aufzeichnungen von 1.328 Erkrankten aus 16 Zentren in vier Ländern – Kanada, Dänemark, Südafrika, USA – zurück. Bei den Teilnehmenden handelte es sich um die ersten 100 Personen (bzw. die größte verfügbare Zahl) in jedem Zentrum, die im Jahr 2019 an der Schilddrüse operiert wurden. Das mittlere Alter der Betroffenen betrug 52 Jahre, 75 % von ihnen waren weiblich.
Vier Situationen führten zur Diagnose ohne Beschwerden
Die Erkennungsmethoden des Schilddrüsenbefunds wurden mithilfe einer aktualisierten Version eines zuvor validierten Instruments wie folgt eingeteilt:
- endokrine Erkrankung
- symptomatische Schilddrüse
- Überwachung
- ohne schilddrüsenrelevante Symptome (asymptomatisch)
Darüber hinaus wurden asymptomatische Fälle weiter klassifiziert in:
- Screening-Untersuchung durch die Ärztin / den Arzt
- Screening auf Wunsch des/der Patient:in
- radiologischer Zufallsbefund
- diagnostische Kaskade
Primäre Endpunkte der Studie waren die Art der Erkennungsmethode von Schilddrüsenknoten nach geografischer Lage sowie der Anteil und die Größe von Tumoren, die bei asymptomatischen Betroffenen entdeckt wurden.
34 % der Erkrankten, die sich operieren ließen, hatten schilddrüsenbedingte Symptome; 40,8 % wiesen diese nicht auf. In 14 % der Fälle erfolgte der Eingriff bei Teilnehmenden mit endokrinen Erkrankungen und in 12 % bei Betroffenen unter Überwachung. Von den asymptomatischen Fällen wurden 77 Befunde (6 %) im Rahmen der diagnostischen Kaskade gestellt, 270 Patient:innen (20 %) hatten einen radiologischen Zufallsbefund, bei 18 Personen (1 %) wurde ein Screening auf eigenen Wunsch durchgeführt und 177 (13 %) erhielten eine Screening-Untersuchung, die durch den Behandelnden angeordnet war.
46 % der Teilnehmenden bekamen eine Krebsdiagnose. Davon wiesen 30 % schilddrüsenrelevante Beschwerden auf und 51 % hatten dies nicht. Die mittlere Größe der in der symptomatischen Gruppe entdeckten Tumoren betrug 3,2 cm und die in der asymptomatischen Gruppe 2,1 cm.
Andere Länder, andere Sitten
Die Erkennungsmethoden zur Identifizierung von Schilddrüsenknoten, die eine Operation erforderten, unterschieden sich in den teilnehmenden Ländern signifikant. So war die Rate an Patient:innen, die zum Zeitpunkt der Vorstellung unter Beschwerden litten, in Südafrika und Dänemark höher, während in den USA und Kanada eher asymptomatische Erkrankte operiert wurden.
Zusammenfassend stellten die Kolleg:innen fest, dass die meisten Schilddrüsenkarzinome bei Personen entdeckt wurden, die keine schilddrüsenrelevanten Symptome aufwiesen. Im Durchschnitt waren diese Tumoren kleiner als symptomatische Schilddrüsenkarzinome. Die beträchtlichen Abweichungen zwischen den vorherrschenden Erkennungsmethoden in den vier Ländern deuten auf große Unterschiede in der Praxis hin.
Quellen:
Sajisevi M et al. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2022; 148 (9): 811-818; DOI: 10.1001/jamaoto.2022.1743