Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Die „schwer zu behandelnde CED“: Experten fordern einheitliche Definition
Patienten mit schwer zu behandelnder chronisch-entzündlicher Darmerkrankung stellen ihre behandelnde Ärzte vor ein Problem. Aber was bedeutet eigentlich „schwer zu therapieren“? Dr. Tommaso Lorenzo Parigi von der Abteilung für Gastroenterologie und Endoskopie am IRCCS Ospedale San Raffaele in Mailand und seine Kollegen haben sich zusammengesetzt und in einem mehrstufigen Prozess eine eindeutige Definition erarbeitet. Dabei stellten sie mehrere Aussagen zur Diskussion und nur solche, denen mindestens 75 % der Experten zustimmten, wurden in das Statement aufgenommen.
Schließlich gingen fünf Punkte in die Begriffsbestimmung ein. Davon betrafen zwei die Therapie:
- Schwer zu behandeln sind Erkrankungen, die auf Biologika und Small Molecules mit mindestens zwei unterschiedlichen Wirkmechanismen nicht angesprochen haben.
- Ist eine Operation erfolgt, so muss ein Morbus Crohn nach mindestens zwei Eingriffen rezidivieren – außer bei Kindern: Bei ihnen genügt eine vergebliche OP, um die Definition zu erfüllen. Denn bei pädiatrischen Patienten wird die Indikation zur OP ohnehin zurückhaltender gestellt, daneben gibt es für die ganz Jungen nur wenige explizit zugelassene medikamentöse Alternativen, schreiben die Experten.
Perianale Fisteln sind ein weiteres Kriterium
Eine weitere Rolle spielt der Phänotyp der Erkrankung:
- Eine chronische Pouchitis, die auf Antibiotika nicht anspricht, gilt ebenfalls als schwer behandelbar. Als Alternativtherapie denken Mediziner gelegentlich Biologika an, vor allem TNF-α-Inhibitoren und Vedolizumab, aber die Ergebnisse damit sind widersprüchlich; möglicherweise wirken die Substanzen auf andere Komplikationen des Crohn und nicht auf die Pouchitis, so die Einschätzung der Autoren.
- Auch eine komplexe perianale Manifestation ist nach Meinung der Autoren Zeichen einer schwer zu behandelnden CED. Hierunter fallen etwa hoch gelegene Fisteln, die mehr als zwei Drittel des Sphincter externus betreffen, oder Fisteln außerhalb des Sphinkterapparats. Denn die Fistelung gilt als Prädiktor für eine schlechte Langzeitprognose und macht eine OP noch einmal wahrscheinlicher, sind sich die Fachleute einig.
Und schließlich kommen auch die Erkrankten selbst ins Spiel:
- Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden oft an psychosozialen Störungen – wobei Erkrankung und Psyche sich wahrscheinlich gegenseitig beeinflussen. Vor allem Angststörungen und Depressionen treten häufig auf, und sie wiederum können dazu führen, dass Kranke ihre Medikamente nicht (regelmäßig) einnehmen, nicht zu Kontrolluntersuchungen erscheinen und Ähnliches. Die frühzeitige Einbindung eines Sozialarbeiters und eines Psychologen wäre schon bei ersten solchen Anzeichen sinnvoll.
Ihre Definitionen könnten helfen, betroffene Patienten schon frühzeitig in ausgewiesene Zentren zu überweisen, die mit aggressiveren, interdisziplinären Behandlungsstrategien Erfahrung haben. Außerdem wären zukünftig Studienergebnisse besser vergleichbar, wenn man sich über die Bedeutung von „schwer behandelbar“ einig ist, schließen die Kollegen.
Quelle: Parigi TL et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2023; DOI: 10.1016/S2468-1253(23)00154-1