Ehrung Die Vision von einer Welt ohne Typ-1-Diabetes
Der Fokus von Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München und Lehrstuhlinhaberin für Diabetes und Gestationsdiabetes an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München, liegt auf der Aufklärung der Pathogenese des Typ-1-Diabetes sowie auf der Entwicklung von prädikativen Markern und individualisierten Therapien zur Prävention dieser Erkrankung.
In der Auszeichnung mit der Paul-Langerhans-Medaille sieht die Diabetologin und DZD-Wissenschaftlerin nicht nur eine Anerkennung für ihre langjährige wissenschaftliche Arbeit, sondern auch einen Beleg dafür, welch große Relevanz die Früherkennung, Prävention und Pathogenese des Typ-1-Diabetes jetzt und in Zukunft hat, um die Erkrankung eines Tages besiegen zu können.
Per Losverfahren in die Diabetologie gekommen
„In den letzten 30 Jahren hat sich extrem viel getan, was das Verständnis von der Entstehung der Krankheit und die Entwicklung zukunftsweisender therapeutischer Ansätze betrifft“, betont Prof. Ziegler, die sich ursprünglich mehr für die Hämatologie interessiert hat. Während ihres humanmedizinischen Studiums an der Ludwig-Maximilians-Universität in München kam sie dann aber über ein Losverfahren zur Diabetologie.
Typ-1-Diabetes als faszinierendes Thema entdeckt
„Je mehr ich mich mit der Erkrankung beschäftigt habe, umso mehr hat mich das Thema fasziniert und spätestens bei meiner Dissertation hat mein Interesse an einer wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet des Diabetes Typ 1 so richtig Fahrt aufgenommen“, gesteht Prof. Ziegler.
Bereits zu Beginn ihrer Forschungstätigkeit hat sie am Klinikum Schwabing in München an der weltweit ersten internationalen Immuntherapie-Studie teilgenommen, bei der Patient*innen mit Ciclosporin A behandelt wurden. „Die Studie verfestigte die wachsende Erkenntnis, dass der Diabetes Typ 1 nicht nur eine Stoffwechsel-, sondern auch eine Autoimmunerkrankung ist“, so Prof. Ziegler. Dies habe sie so gepackt, dass sie sich 1987 für ein Forschungsstipendium am Joslin Diabetes Center der Harvard University in Boston beworben habe, wo sich eine renommierte Forschergruppe ebenfalls mit der Frage der Autoimmunität eines Typ-1-Diabetes beschäftigt hat.
Entwicklung von Markern und Screening-Programmen
1989 kehrte Prof. Ziegler aus den USA an das Klinikum Schwabing nach München zurück und gründete im Rahmen der Forschungsgruppe Diabetes e. V. ihr erstes eigenes Labor. Dort führte sie die weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte mit für Typ-1-Diabetes prädisponierten Säuglingen durch, um herauszufinden, bei welchen Kindern sich eine Inselautoimmunität beziehungsweise ein Typ-1-Diabetes klinisch manifestiert und welche Faktoren hierzu beitragen. „Die Idee hinter der BABYDIAB-Studie war, prädisponierte Kinder von Geburt an in regelmäßigen Abständen während ihrer gesamten Kindheit und Jugend hindurch auf Inselautoantikörper zu untersuchen“, erklärt Prof. Ziegler.
Die Studie ergab, dass der Autoimmunprozess zur Entstehung eines Typ-1-Diabetes bereits in den ersten beiden Lebensjahren in Gang gesetzt wird und dass das Risiko, zu erkranken, mit dem Alter deutlich abnimmt. Dabei richtete sich der Autoimmunprozess gegen Insulin als primäres Autoantigen.
Ein weiteres Ergebnis von Prof. Zieglers Forschungsarbeiten war, dass wiederholte frühkindliche virale Atemwegsinfektionen und Entzündungen das Risiko für eine Inselautoimmunität bei Menschen mit einer Veranlagung zur Krankheitsentstehung erhöhen. Auf der Basis dieser Forschungsergebnisse hat sie schließlich valide Früherkennungsmarker des Typ-1-Diabetes in Form von Inselautoantikörpern und genetischen Scores entwickelt und innovative Screening-Programme für Säuglinge und Kleinkinder etabliert. Darüber hinaus hat sie damit begonnen, über Möglichkeiten der Primärprävention in Form von Therapien nachzudenken, die den Beginn der Erkrankung hinauszögern oder das Fortschreiten verlangsamen können. Zieglers Vision von einer Welt ohne Typ-1-Diabetes („A World without 1“) war geboren.
Hoffnung auf zwei bis drei Therapien in 15 Jahren
Den ersten Meilenstein in dieser Richtung setzte die Entwicklung einer innovativen krankheitsverzögernden Therapie mit dem Wirkstoff Teplizumab, an der auch Prof. Ziegler beteiligt war. Das Medikament ist bereits in den USA zugelassen und sie hofft, dass es bald auch in Europa erhältlich sein wird.
Vor dem Hintergrund all ihrer Erkenntnisse und Erfolge ist Prof. Ziegler optimistisch, dass es tatsächlich irgendwann eine Welt ohne Dia-betes Typ 1 geben wird. Außerdem geht sie davon aus, dass in rund 15 Jahren mindestens zwei bis drei Therapien zur Verfügung stehen, die den Krankheitsausbruch beziehungsweise den Verlauf verzögern können.
Mehr über die Arbeit von Prof. Ziegler und GPPAD (Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes), einen Zusammenschluss mehrerer akademischer Forschungseinrichtungen und Kliniken in Europa, mit dem eine internationale Infrastruktur für Studien zur Vorbeugung der Entstehung von Typ-1-Diabetes etabliert werden soll, unter:
helmholtz-munich.de/hdc und gppad.org