Wenn die Hoden auf Sparflamme laufen Diese unerwünschten Effekte der Testosteronersatztherapie sollten Sie kennen

Autor: Dr. Andrea Wülker

Bei Männern ab 40 Jahren sinkt der Gesamttestosteronspiegel jährlich um ca. 1 %. Bei Männern ab 40 Jahren sinkt der Gesamttestosteronspiegel jährlich um ca. 1 %. © Cagkan – stock.adobe.com

Zur Behandlung des männlichen Hypogonadismus wird in der Andrologie häufig Testosteron verabreicht. Doch welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dieser Hormontherapie verbunden?

Bei Männern ab 40 Jahren sinkt der Gesamttestosteronspiegel jährlich um ca. 1 %. Ein Tes­tosteronmangel kann sich auf verschiedene Organe und Organsys­teme negativ auswirken – u. a. auf den Bewegungsapparat. Denn bei niedrigen Testosteronspiegeln sinkt die Aromatisierung von Testosteron zu Östrogenen, was zu Osteoporose, Knochenschmerzen und erhöhter Frakturgefahr führt, schreiben Prof. Dr. Michael Zitzmann­  und das Team vom Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Universitätsklinikums Münster. 

Subgruppe zeigte ein erhöhtes Frakturrisiko

Internationale Fachgesellschaften empfehlen eine Therapie, wenn ein Testosteronwert von < 12 nmol/l oder 3 ng/ml im Blut und damit einhergehende klinische Symptome vorliegen. Verschiedene Studien und Metaanalysen kamen zu dem Ergebnis, dass eine Testosteronersatztherapie (TRT) den Knochenstoffwechsel und die Knochendichte positiv beeinflusst. Für Unruhe sorgte jedoch kürzlich eine Subgruppe der ­TRAVERSE-Studie, in der hypogonadale Männer mit Testosteron oder Placebo behandelt wurden: Wider Erwarten fand man unter Testosteron ein erhöhtes Knochenbruchrisiko. Allerdings traten die Frakturen sofort nach Beginn der Testosterontherapie auf und waren in vielen Fällen mit einem entsprechenden Trauma verbunden. Deshalb geht man von einer Verhaltensänderung der Teilnehmer unter Testosterontherapie aus. Zu viel und zu riskanter Sport unter dem Einfluss einer Testosterontherapie sind demnach keine gute Idee.

Eine TRT kann die Psyche und das Verhalten hypogonadaler Männer auch in anderer Hinsicht erheblich beeinflussen. Viele Männer berichten über eine gesteigerte Libido, eine Verbesserung ihrer sexuellen Funktion und ein gesteigertes Selbstwertgefühl unter der Hormontherapie. Das kann durchaus neuen Schwung in die Partnerschaft bringen. In manchen Fällen fühlen sich die Partnerinnen der hormonbehandelten Männer aber unter Druck gesetzt oder überfordert. Nicht jede Frau kommt damit zurecht, dass ihr zuvor eher zurückhaltender Partner plötzlich energiegeladen, selbstsicher oder gar fordernd auftritt. Um Spannungen zu vermeiden und die positiven Effekte der Therapie optimal zu nutzen, empfiehlt die Autorengruppe daher eine bewusste und reflektierte Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen – individuell, aber auch in der Partnerschaft.

Testosteron stimuliert die Erythropoese, was den Hämatokrit ansteigen lässt und die Blutviskosität erhöht. Dies wird mit einem höheren Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle in Verbindung gebracht. Jedoch konnte die ­TRAVERSE-Studie, an der mehr als 5.000 Männer teilnahmen, keinen statistisch signifikanten Anstieg schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse unter Tes­tosterongabe zeigen.

Bemerkenswert ist, dass in der TRAVERSE-Studie vermehrt Fälle von Vorhofflimmern auftraten, die Gründe hierfür sind unklar. Was die Hämatokrit­erhöhung unter einer Testosteronersatztherapie anbelangt, so weisen die Autoren darauf hin, dass dies bei anämischen Patienten durchaus nützlich sein kann; eine Anämie ist gerade bei Männern mit Hypogonadismus nicht ungewöhnlich.

Bei Übergewicht droht eine Gynäkomastie

Manche – insbesondere übergewichtige – Männer entwickeln unter TRT eine Vergrößerung des Brustdrüsengewebes. Die Entstehung dieser Gynäkomastie unter Testosterongabe hängt eng mit dem Enzym Aromatase zusammen, das im Fettgewebe besonders aktiv ist und Androgene in Östrogene umwandelt. Über dieses Risiko müssen Übergewichtige vor Beginn einer TRT sorgfältig aufgeklärt werden.

Bei Männern mit Kinderwunsch ist eine Testosterontherapie kontraindiziert. Denn exogen verabreichtes Testosteron unterdrückt die Produktion der Gonadotropine LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon). 

Dadurch sinkt die Testosteronkonzentration im Hoden, was wiederum die Spermatogenese bremst und die Fruchtbarkeit beeinträchtigt. Das müssen Männer vor Beginn einer TRT wissen. Für einige kann es ratsam sein, vorab ein Kryodepot von Spermien anzulegen, raten die Kollegen.

Große Bedenken gab es bisher im Hinblick auf eine TRT bei Patienten mit Prostatakarzinom und Symp­tomen eines Testosteronmangels. Zwar ist die Datenlage eingeschränkt, doch zeigen einige neuere Publikationen, dass bei sorgfältig selektierten Patienten eine TRT sogar bei Prostatakarzinom möglich ist.

Quelle: Zitzmann M et al. Uro logie 2024; doi: 10.1007/s00120-024-02455-8