Katastrophales Antiphospholipidsyndrom Ein Ritt durch die Hölle
Sechs Wochen hatte die Frau schon unter Atemwegsbeschwerden gelitten, als sie sich schließlich in ihrem örtlichen Krankenhaus in New South Wales vorstellte. Ansonsten gab die 31-Jährige keine Symptome an, sie war bisher gesund gewesen und hatte nach jeweils unkomplizierter Schwangerschaft zwei Kinder geboren.
Bei der stationären Aufnahme war die Patientin hyperton (198/120 mmHg), ihre Herzfrequenz betrug 100/min, berichten Dr. Seojung Kwak und Dr. Malcolm Green vom Rural Referral Hospital in Tamworth. Bis auf ein Bronchialatmen rechts ergab die körperliche Untersuchung nichts Auffälliges. Im Thoraxröntgen zeigte sich jedoch eine akute Kardiomegalie mit venöser pulmonaler Stauung, in der CT das Bild einer Pneumonie. CRP und NT-proBNP waren erhöht, Leber- und Nierenwerte normal.
Schwere systolische Dysfunktion
Zur Behandlung ihrer Pneumonie bekam die Patientin Azithromycin und Ceftriaxon. Parallel dazu starteten die Ärzte eine ganze Batterie von Untersuchungen, um die Ursache für den erhöhten Blutdruck und das erhöhte pro-BNP zu finden. Dabei kamen mehrere ernste Befunde ans Licht.
Zunächst ließ das trans-ösophageale Echo eine leichte Mitralinsuffizienz, aber schwere systolische Dysfunktion erkennen (EF 32%). Daraufhin erhielt die Frau Furosemid, Ramipril, Spironolacton und Bisoprolol. Im ersten renalen Doppler fand sich zwar keine Nierenarterienstenose, aber eine Okklusion der Aorta unterhalb des Abgangs der oberen Mesenterialarterie. An Tag 4 offenbarte die Abdomen-CT schließlich nicht nur einen 7 cm langen Füllungsdefekt der Bauchaorta unterhalb des Abgangs der Nierenarterie. Gleichzeitig präsentierten sich ausgeprägte Kollateralkreisläufe zwischen Aorta, thorakalen sowie Bein- und Beckengefäßen, die auf ein chronisches Geschehen hinwiesen. Retrospektiv gab die Patienten auch gelegentliche claudicatioartige Beinschmerzen beim Gehen an. Parallel dazu war das Renin erhöht – passend zu einer renovaskulären Hypertonie. Außerdem entwickelte die Patientin an beiden Ohren eine Perichondritis – nicht zum ersten Mal, wie sie berichtete.
Mit der Diagnose Großgefäßvaskulitis und Perichondritis erhielt sie nun Azathioprin sowie Ceftriaxon. Außerdem wurde eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin eingeleitet. Daneben starteten die Kollegen eine Vaskulitis- und Thrombophiliediagnostik inklusive Antiphospholipidantikörper. Einen Tag später, an Tag 5, entwickelte die junge Frau ein akutes Nierenversagen. Bis zum Tag 10 stieg das Kreatinin auf 3,7 mg/dl, mit Anurie und Flüssigkeitsüberladung. Im Gefäßultraschall der Niere ließ sich eine deutliche Verschlechterung des renalen Blutflusses erkennen. Nun entschloss man sich, die Patientin in eine Spezialklinik zu verlegen.
Dort wurde eine Fluorodeoxyglucose (FDG)-PET durchgeführt. Die vermutete Großgefäßvaskulitis ließ sich damit allerdings nicht bestätigen. Stattdessen brachten die endlich eingetroffenen Ergebnisse der Blutuntersuchungen Licht ins Dunkel: Sowohl Lupusantikoagulans als auch Antikardiolipin-Antikörper und Beta-2-Glykoprotein I-Antikörper waren positiv. Dies und die klinische Situation führten zur Verdachtsdiagnose katastrophales Antiphospholipidsyndrom, kurz KAPS.
Neben der nun beginnenden Hämodialyse bekam die Patientin weiter Heparin und Glukokortikoide. Eine Plasmapherese brachte keine Verbesserung der Nierenfunktion und wurde nach einer Woche beendet. Hämodynamisch stabil, dialysepflichtig und auf einen Vitamin-K-Antagonisten eingestellt entließ man die 31-Jährige schließlich nach Hause. Bei der 16 Wochen später erneut durchgeführten APS-Diagnostik waren die Beta-2-Glykoprotein I-Antikörper weiterhin positiv.
Zur sicheren Diagnose gehört die Histologie
Eine Nierenbiopsie lehnte die Patientin mehrfach ab. Der histologische Nachweis der Kleingefäßerkrankung in mindestens einem Organ gilt jedoch als eines der Diagnosekriterien für das KAPS.
Diagnosekriterien des KAPS
- mikrovaskuläre Thromben innerhalb kurzer Zeit
- Befall von mindestens drei Organsystemen gleichzeitig oder innerhalb einer Woche
- persistierende Antiphospholipidantikörper (zwei Untersuchungen im Abstand von zwölf Wochen)
- positive Histologie, d.h. Kleingefäßerkrankung in mindestens einem Organ
Weil dieser Befund fehlt, gehen die Autoren in diesem Fall nicht von einem sicheren, sondern nur von einem wahrscheinlichen KAPS aus.
Das KAPS ist eine seltene Form des APS und tritt bei 1 % der APS-Patienten auf. Wie es sich entwickelt, weiß man nicht sicher, schreiben die Autoren. Wahrscheinlich spielen sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem eine Rolle. Aufgrund drohenden Multiorganversagens und systemischen inflammatorischen Response-Syndroms ist die Mortalität hoch. Die Therapie besteht aus Antikoagulation, Glukokortikoiden und Plasmapherese, in manchen Fällen werden auch Immunglobuline gegeben.
Quelle: Kwak S, Green M. BMJ Case Rep 2022; 15: e245838; DOI: 10.1136/bcr-2021-245838