Autismusdiagnose Eye Tracking Index beim Beobachten von sozialen Interaktionen gibt Hinweise

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Der Eye Tracking Index könnte die Autismus-Diagnose bei Kindern beschleunigen und einen früheren Therapiebeginn ermöglichen. Der Eye Tracking Index könnte die Autismus-Diagnose bei Kindern beschleunigen und einen früheren Therapiebeginn ermöglichen. © jijomathai – stock.adobe.com

In den USA stellen Mediziner bei etwa 3 von 100 Kindern die Diagnose Autismus – meist allerdings relativ spät. Denn die Symptome sind variabel und oft uneindeutig. Und nicht immer stimmt die Vermutung. Eine Analyse der Blickbewegungen in standardisierten Situationen könnte frühzeitig Hinweise liefern, wie Dr. Warren Jones vom Marcus Autism Center in Atlanta und Kollegen herausfanden.

Die Wissenschaftler hatten 499 Kinder im Alter zwischen 16 und 30 Monaten Videos anschauen lassen. Ihre Eltern waren in einer Autismus-Spezialklinik vorstellig geworden, weil sich ihre Kleinen „nicht normal“ verhielten: Sie reagierten verzögert, wenn man sie ansprach, und passten sich nicht adäquat an ihre Umwelt an. In den Testvideos ging es um soziale Interaktionen. Während des Anschauens wurden die Augenbewegungen der Kinder aufgezeichnet. Die Auswertung erfolgte automatisiert und mündete in einen Eye Tracking Index, anhand dessen zwischen „Autismus“ und „kein Autismus“ unterschieden wurde.

Unabhängig davon und in Unkenntnis der Ergebnisse erhoben ärztliche Spezialisten die Anamnese, untersuchten die Kinder klinisch sowie mit verschiedenen Autismus-Standardtests und stellten daraufhin ihre Diagnose. Einen Autismus fanden sie bei 221 Kindern, bei 254 nicht. Der Vergleich der klassischen Methode mit dem Indexverfahren bescheinigte letzterem eine recht hohe Aussagekraft (Sensitivität 71 %, Spezifität 80 %). Beide Werte stiegen, wenn man nur jene 335 Kinder berücksichtigte, bei denen sich die Kliniker ihrer Diagnose sicher waren. 

Eye Tracking Index könnte Ärzte entlasten

Der automatisiert erstellte Index soll keineswegs die ärztliche Beurteilung ersetzen, betont Dr. Geraldine Dawson von der Duke University in Durham in ihrem Kommentar. Möglicherweise könnte er aber dazu dienen eine Vorauswahl zu treffen und Mediziner zu entlasten. Ihnen bliebe somit mehr Zeit für die schwierigeren Fälle. Insgesamt würde die Diagnose beschleunigt und ein früherer Therapiebeginn ermöglicht – güns­tigere Prognose inklusive.

Quellen:
1. Jones W et al. JAMA 2023; 330: 854-865; DOI: 10.1001/jama.2023.13295
2. Dawson G. JAMA 2023; 330: 815-817; DOI: 10.1001/jama.2023.3092