Anorexie in der Schwangerschaft Dem Kind drohen ADHS und Autismus
Wie beeinflussen Essstörungen der werdenden Mutter das Risiko ihres Kindes für neuropsychiatrische Erkrankungen? Dieser Frage gingen Dr. Ängla Mantel vom Karolinska Universitätsklinikum in Stockholm und ihre Kollegen mithilfe mehrerer nationaler Register nach. Dabei identifizierten sie zunächst alle Einlingsgeburten im Zeitraum 1990 bis 2012. Mehr als 8.800 dieser Säuglinge waren von Müttern zur Welt gebracht worden, die entweder unter einer Anorexia nervosa, einer Bulimia nervosa oder einer unspezifischen Essstörung litten.
Jedem dieser Kinder stellten die Wissenschaftler fünf Vergleichskinder von Müttern ohne Essstörung gegenüber, gematcht für das Alter der Mutter bei der Entbindung, Geschlecht und Geburtsjahr. Schließlich verglichen sie, wie häufig Autismus-Spektrum-Störungen (ASS, ab dem ersten Lebensjahr) oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS, ab dem dritten Lebensjahr) in den beiden Gruppen auftraten.
Dabei stellte sich heraus, dass eine Essstörung der Mutter das Risiko für ein ADHS des Kindes um etwa die Hälfte (Anorexia nervosa) bzw. auf das Doppelte (Bulimia nervosa, unspezifische Störung) steigen ließ. Ähnlich sah es mit der Gefahr für eine Autismus-Spektrum-Störung aus, wobei eine Bulimie das Risiko sogar fast verdreifachte. Dabei war eine während der Schwangerschaft bestehende Anorexie für die Kinder nochmals gefährlicher als eine zurückliegende Erkrankung (Hazard Ratio für ADHS 2,5, für ASS 3,98).
Assoziation bliebt auch nach Adjustierung signifikant
Anschließend berücksichtigen die Forscher Störfaktoren, etwa psychiatrische Erkrankungen der Eltern. Danach blieb das Risiko für ein ADHS weiterhin erhöht, die erhöhte Gefahr für eine Autismus-Spektrum-Störung bei Kindern von Müttern mit Bulimia nervosa war jedoch nicht mehr signifikant.
Eine Subgruppenanalyse untersuchte weiterhin, inwieweit sich familiäre Faktoren auf die neurologische Entwicklung der Kleinen auswirken könnten. Sie schloss nur Kinder und ihre Cousins/Cousinen mütterlicherseits ein, bei denen eine Frau erkrankt war, die andere nicht. Auch diese Auswertung bestätigte die Ergebnisse der Hauptstudie: Die Assoziation der neuropsychiatrischen Störungen lässt sich nicht vollständig durch gemeinsame familiäre Faktoren oder psychiatrische Erkrankungen der Eltern erklären. Weitere Studien zu dieser Thematik sind deshalb überfällig, so die Kollegen abschließend.
Quelle: Mantel Ä et al. JAMA Network Open 2022; 5: e2143947; DOI: 10.1001/jamaneworkopen.2021.43947