Hypertriglyzeridämien Fettgefahr für Gefäße und Pankreas

Autor: Dr. Dorothea Ranft

In der kardiovaskulären Prävention gibt es für erhöhte Triglyzeride bisher keine klar definierten Zielwerte. In der kardiovaskulären Prävention gibt es für erhöhte Triglyzeride bisher keine klar definierten Zielwerte. © Naeblys– stock.adobe.com

 Erhöhte Triglyzeride gelten – unabhängig von hohen LDL-Werten – als wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Ihr schädliches Potenzial wird allerdings oft noch unterschätzt. Zur Gefäßprophylaxe werden das Non-HDL-Cholesterin und ApoB als sekundäre Zielwerte miteinbezogen.

Ab einem Triglyzeridspiegel von 88 mg/dl steigt das kardiovaskuläre Risiko kontinuierlich bis zu Werten von 500–880 mg/dl an. Oberhalb dieses Bereichs sinkt das kardiovaskuläre Risiko wieder, stattdessen droht vermehrt die akute Pankreatitis, schreiben Prof. Dr. ­Martin ­Merkel vom Endokrinologikum Hamburg und Kollegen. In der Praxis hat sich eine Differenzierung zwischen der schweren multifaktoriellen Hypertriglyzerid­ämie und dem familiären Chylomikronämie-Syndrom (FCS) bewährt. Das FCS entsteht durch genetische Defekte der plasmatischen Triglyzeridhydrolyse. Die multifaktorielle Fettstoffwechselstörung bildet sich als Folge von Lebensstil, Krankheiten und polygener Veranlagung. Zwischen beiden Erkrankungen existieren fließende Übergänge. 

Zur Diagnostik wird eine Bestimmung der Nüchtern-Triglyzeride empfohlen. Erst nach mindestens zwölfstündiger Nahrungskarenz und nach eventuell sogar mehrtägigem Alkoholverzicht kann der niedrigst mögliche Spiegel gemessen werden. Dieser erleichtert die Differenzierung zwischen einer genetisch bedingten und einer primär alimentären oder sekundären Hypertriglyzeridämie. Neben dem etwaigen Konsum geistiger Getränke müssen auch Ernährungsgewohnheiten und Medikamente erfasst werden. Auszuschließen sind Diabetes, Insulinresistenz und metabolisches Syndrom sowie hormonelle Veränderungen (z.B. Hypothyreose). Auch Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz, generalisierte Entzündungen und eventuell eine Schwangerschaft gilt es zu eruieren. 

Das atherogene Potenzial des Lipidstoffwechsels lässt sich aus der Höhe der Triglyzeridspiegel nur schlecht ableiten. Ab etwa 400 mg kann auch die Plasmakonzentration des LDL-Cholesterins weder berechnet noch sicher gemessen werden. Ersatzweise empfehlen die Autoren die Bestimmung des Apolipoprotein B (ApoB), das in allen atherogenen Lipoproteinen enthalten ist. Außerdem sollte das Non-HDL-Cholesterin bestimmt werden. Beide Parameter werden als Therapieziele in der kardiologischen Prävention genutzt. Beim Verdacht auf ein familiäres Syndrom sollte wegen der Therapiemöglichkeiten eine genetische Abklärung erfolgen.

Gefäßprophylaxe

In der kardiovaskulären Prävention gibt es für erhöhte Triglyzeride bisher keine klar definierten Zielwerte. Ein Grund dafür ist, dass der Nutzen der klassischen Strategien bei dieser Indikation mit Ausnahme von Eicosapentaensäure-Ethylester bisher nicht eindeutig belegt ist. Deshalb erfolgt die Prophylaxe wie bei Patienten mit normalen Triglyzeriden, wobei das Non-HDL-Cholesterin und eventuell das ApoB als sekundäre Zielwerte einbezogen werden. Statine, Ezetimib und PCSK9-Hemmer senken neben dem LDL-Cholesterin auch diese beiden Parameter. Fibrate werden zur kardiovaskulären Prävention nur in Ausnahmefällen verordnet, etwa bei einer Statinintoleranz. 

Leichte bis mittelschwere Hypertriglyzeridämien sprechen meist gut auf Lebenstilveränderungen an. Als hilfreich erwiesen haben sich Gewichtsabnahme, Alkoholkarenz und die Reduktion fruktosehaltiger Lebensmittel. 
Die üblichen Omega-3-Fettsäuren haben keine Bedeutung. Für einen hochdosierten reinen Eicosapentaensäure-Ethylester (4 g/d) konnte eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse zusätzlich zu Statinen um bis zu 25 % gezeigt werden. Dieser Wirkstoff wird deshalb von den ESC-Leitlinien als Möglichkeit zur kardiovaskulären Prävention empfohlen.

Multifaktorielle Hypertriglyzeridämie

Familiäres Chylomikronämie-Syndrom

Triglyzeride < 160 mg/dl (1,8 mmol/l)

Nüchtern-Triglyzeride wiederholt > 800 mg/dl (9 mmol/l)

Sekundärfaktoren (Diabetes, Adipositas etc.)

keine Sekundärfaktoren

keine Pankreatitisanamnese

Pankreatitisanamnese

positive Familiengeschichte für Hypertriglyzeridämie

keine schwere Hypertriglyzeridämie der Eltern

Ansprechen auf Lipidsenker

kein/kaum Ansprechen auf Lipidsenker

Beginn im Erwachsenenalter

Beginn in der Kindheit oder Adoleszenz

Prophylaxe der Pankreatitis

Oberhalb eines Bereichs von 500–880 mg/dl steigt die Gefahr für eine akute Pankreatitis, besonders groß ist diese bei extrem hohen Werten (> 880 mg/dl). Betroffene Patienten lassen sich nur schwer behandeln, wenn ihre Störung überwiegend genetisch und nicht durch andere Faktoren (entgleister Diabetes, schwere Diätfehler) bedingt ist.

Basis der Therapie ist eine streng Triglyzerid-reduzierte Kost einschließlich eines Fettersatzes durch Fettsäuren mit mittlerer Kettenlänge. Diese Diät kann die Pankreatitisrate deutlich reduzieren, obwohl die Plasmatriglyzeride meist nicht unter 885 mg/dl (10 mmol/l) sinken. Allerdings wird diese Ernährungsform von den Betroffenen oft schlecht toleriert. 

Fibrate sind kaum wirksam und der Effekt von Omega-3-Fettsäuren ist variabel, beide können aber probatorisch angewendet werden. Erste positive Daten gibt es zu Volanesorsen, einem ApoC3-Antisense-Oligo­nukleotid, das die Triglyzeride um mehr als 70 % senken kann. Es ist für Patienten mit familiärem Chylomikronämiesyndrom und hohem Pankreatitisrisiko zugelassen.

Quelle: Merkel M et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 1286-1294; DOI: 10.1055/a-1516-2661