Sport und Kopfschmerzen Fieser Auslöser oder Mittel zur Linderung?
Die Zahlen zum Thema Kopfschmerzen durch Sport sind weltweit nicht besonders verlässlich: Nach einer Studie aus Neuseeland kennen 28 % der Normalbevölkerung und 42 % der Sportstudierenden Kopfschmerzen aufgrund körperlicher Aktivitäten. In einer iranischen Studie waren dies zwar 40 % der Studierenden mit dem Fach Sport, aber 60 % derjenigen, die ein anderes Fach belegt hatten, schreibt ein Expertenteam um Prof. Dr. Stefan Evers von der Klinik für Neurologie am Krankenhaus Lindenbrunn in Coppenbrügge. Auch Menschen mit Migräne berichten auf Nachfragen häufig, dass Attacken durch sportliche Betätigung ausgelöst werden. In einer Ergometer-Studie mit 19 Betroffenen war die Anstrengungsmigräne allerdings nicht gut reproduzierbar.
Ein primärer sportbezogener Kopfschmerz kann durch ein Kopftrauma als Trigger bedingt sein – das wäre z.B. die „Fußballermigräne“ oder Kopfschmerz nach einem Treffer beim Boxen. Liegt kein spezifisches Trauma vor, spricht man von einem „Anstrengungskopfschmerz“ oder bei Migräne von „Anstrengungsmigräne“.
Kälte, Hitze und Druck auf den Kopf sind Trigger
Viele Sportarten können diese Art von Kopfschmerzen auslösen, Beispiele sind Gewichtheben und Radfahren. Als prädisponierende Faktoren gelten u.a. Kälte, Hitze und große Höhe. Auch Druck auf den Kopf, z.B. durch Schwimm- oder Taucherbrillen, kann Kopfschmerz triggern. Typischerweise treten die Schmerzen während oder nach körperlicher Anstrengung auf und halten weniger als 48 Stunden an. Vor allem bei Neumanifestation solch eines Anstrengungskopfschmerzes sollten immer sekundäre Cephalgieursachen ausgeschlossen werden, z. B.:
- Arnold-Chiari-Malformation
- Arachnoidalzysten im Bereich des Foramen magnum
- arterielle Hypertonie
- Phäochromozytom
- idiopathische intrakranielle Hypertension
- Gefäßerkrankungen
Als sekundäre sportbezogene Kopfschmerzen bezeichnet man z.B. Symptome, die nach einem Schädeltrauma oder einer HWS-Distorsion auftreten. Hier muss man an ernste Folgen wie Frakturen, Blutungen und Gefäßdissektionen denken. Sekundäre Kopfschmerzen in Zusammenhang mit Sport können auch durch leistungssteigernde Substanzen wie Koffein, Anabolika oder Psychostimulanzien oder durch Fasten bedingt sein.
Sonderformen von Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Sport sind der Höhenkopfschmerz und der Taucherkopfschmerz. Ein Taucherkopfschmerz kann vorliegen, wenn sich der Kopfschmerz während eines Tauchgangs von > 10 m Tiefe entwickelt hat und keine Anzeichen für eine Dekompressionskrankheit vorliegen. Typisch ist eine Verschlechterung während des Tauchgangs und ein spontanes Verschwinden innerhalb von drei Tagen nach dem Auftauchen oder innerhalb von einer Stunde bei Behandlung mit hundertprozentigem Sauerstoff. Für die Diagnose wird das Vorliegen von weiteren Anzeichen einer CO2-Intoxikation wie Verwirrtheit, Benommenheit, motorische Koordinationsstörung, Dyspnoe und Gesichtsrötung gefordert.
Der Höhenkopfschmerz ist Teil der Symptomatik bei einer akuten Höhenkrankheit, die ab ca. 2.500 m über dem Meeresspiegel auftreten kann. Es handelt sich um einen meist bilateralen Kopfschmerz, der sich bei Anstrengung und Vornüberbeugen verstärkt. Auslöser ist die durch den sinkenden Sauerstoffpartialdruck in der Höhe bedingte Hypoxie. Bei einem sofortigen Abstieg gehen die Kopfschmerzen wieder zurück.
Aktivität an Bedürfnisse und Motivation anpassen
Wie sieht es aber mit den positiven Effekten von Sport für Kopfschmerzbetroffene aus? Immerhin wird regelmäßiger aerober Ausdauersport zur Migräneprophylaxe empfohlen. Auch bei Spannungskopfschmerzen rät man Erkrankten häufig zu sportlichen Aktivitäten. Doch auch wenn man den meisten Patientinnen und Patienten damit wahrscheinlich nicht schadet und Sport zudem positive Effekte auf die Psyche hat, ist die wissenschaftliche Evidenz für diese Empfehlung sehr gering, so die Forschenden. Nach ihrer Einschätzung kann Sport als ein Baustein der Kopfschmerztherapie empfohlen werden – das Angebot sollte aber sehr individuell an die Bedürfnisse und die Motivation der Betroffenen angepasst werden.
Quelle: Evers S et al. Nervenheilkunde 2024; 43: 289-303; DOI: 10.1055/a-2261-0817