Das Leben verlängern um jeden Preis? Fortgeschrittene Krebserkrankungen erfordern oft schwierige Entscheidungen

Autor: Sabine Debertshäuser

34 % der Krebskranken waren in puncto Lebensdauer zu Abstrichen bereit, wenn sie dadurch ihre Symptombelastung und ihre Schmerzen reduzieren konnten. 34 % der Krebskranken waren in puncto Lebensdauer zu Abstrichen bereit, wenn sie dadurch ihre Symptombelastung und ihre Schmerzen reduzieren konnten. © VectorMine – stock.adobe.com

Welche Versorgungsziele sind für Personen mit einer unheilbaren Krebserkrankung und ihre pflegenden Angehörigen wirklich bedeutsam? Dieser Frage sind Forschende aus Singapur nachgegangen. 

Außerdem interessierten sie sich in ihrer prospektiven Kohortenstudie für das Verhältnis zwischen Lebensverlängerung und Kostendämpfung. Das Team wertete die Daten der COMPASS-Studie aus, für die Patientinnen und Patienten mit malignen soliden Tumoren im Stadium IV sowie ihre pflegenden Angehörigen befragt wurden. Insgesamt 210 Teams aus Betreuenden und Erkrankten füllten vierteljährlich – bis zum Tod der Erkrankten – Fragebögen aus, in denen sie zwei Präferenzen angaben: einerseits bei der Frage nach Lebensverlängerung gegenüber Schmerzfreiheit oder Wohlbefinden, andererseits bei der Frage nach einer Lebensverlängerung vs. Berücksichtigung der finanziellen Kosten. Die Forschenden fragten außerdem nach Merkmalen der Teilnehmenden und untersuchten Interaktionen zwischen Erkrankten und Pflegenden.

34 % der Krebskranken waren in puncto Lebensdauer zu Abstrichen bereit, wenn sie dadurch ihre Symptombelastung und ihre Schmerzen reduzieren konnten. Bei den pflegenden Angehörigen sahen es 29 % so. Ein Viertel der Erkrankten (24 %) und ein Fünftel der Betreuenden (19 %) gaben dagegen lebensverlängernden Therapien den Vorrang gegenüber Schmerzfreiheit.

Finanzielle Aspekte überwogen für 28 % der Betroffenen und 17 % der Pflegenden den Aspekt der reinen Überlebensdauer. Für 26 % der Krebskranken und 35 % der familiären Helfer spielten höhere Kosten dagegen eine untergeordnete Rolle. Die Einstellungen sowohl der fürsorglichen Verwandtschaft als auch der Betroffenen änderten sich nicht, als sich die Schwerstkranken in der Terminalphase befanden.

Weniger Religiöse priorisierten eher die Symptombehandlung

Erkrankte mit starken tumorbedingten Beschwerden, einer geringer ausgeprägten Spiritualität bzw. Religiosität und einem Verständnis von der Unheilbarkeit ihrer Erkrankung priorisierten eher die Symptombehandlung über ihre verbleibende Lebensdauer. Älteren mit hohem Leidensdruck und geringerer Spiritualität war die Kosteneinsparung wichtiger als die Verlängerung ihres Lebens, insbesondere wenn ihre familiären Betreuung finanzschwach war.

Das Autorenteam unterstreichen die Notwendigkeit von Interventionen, die darauf abzielen, Kompromisse zwischen den Behandlungszielen der Pflegenden und der Krebskranken zu finden. Dadurch könnten realistischere Erwartungen geweckt und aus Sicht der Erkrankten unnötige Behandlungen vermieden werden.

Quelle: Ozdemir S et al. JAMA Netw Open 2024; 7: e245866; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.5866