Projekt IndoCerCa Früherkennungsmaßnahmen gegen Gebärmutterhalskrebs etablieren
Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebsart bei Frauen – und einer der wenigen Tumoren, der sich durch geeignete Präventionsstrategien verhindern lässt. In Indonesien betreffen etwa 17 % aller Krebsfälle bei Frauen diese Tumorentität. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, 70 % der Frauen weltweit eine Früherkennungsuntersuchung anzubieten. Gerade in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen wie Indonesien gestaltet sich die Umsetzung aber noch schwierig.
„Vor rund vier Jahren startete IndoCerCa, eines der ersten Projekte, das durch die Deutsche Allianz für Forschung zur Globalen Gesundheit (GLOHRA) gefördert wird“, berichtet Prof. Dr. Jörg Haier, Geschäftsführer des Comprehensive Cancer Center (CCC) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der das Projekt koordiniert. Die GLOHRA setzt sich für den Ausbau der standort- und disziplinübergreifenden Zusammenarbeit und die wissenschaftliche Nachwuchsförderung im Bereich der globalen Gesundheit ein. IndoCerCa zielt darauf ab, Strategien zur Früherkennung bzw. Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs in der Provinz Yogyakarta als Pilotregion für Indonesien zu etablieren. Die Kolleg:innen untersuchen im Rahmen von IndoCerCa vor Ort die Einsetzbarkeit von HPV-Selbsttests, deren mögliche Implementierungsbarrieren und wichtige Aspekte wie die spezifische Akzeptanz und der Zugang zur Versorgung bei der geplanten nationalen Einführung dieser Methode. Das Projekt wird für zwei Jahre durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Studie zu vier HPV-Testsystemen
Den zentralen Teil bildet eine klinische Studie mit 2.000 Frauen, in der zwei verschiedene Techniken zu HPV-Selbsttests verglichen werden – zum einen ein urinbasierter Test, zum anderen ein Abstrich. Insgesamt prüfen die Forschenden vier verschiedene Systeme hinsichtlich Akzeptanz und Durchführbarkeit gegeneinander. Die Systeme werden weltweit angeboten, stehen aber gerade in Indonesien nur eingeschränkt zur Verfügung. „Die Proben können die Frauen selbst zu Hause entnehmen“, erläutert Prof. Haier.
Neben dem eigentlichen Testsystem erhalten die Teilnehmerinnen Informationsmaterial und einen Akzeptanzfragebogen, zusätzlich werden Hebammen und Gynäkolog:innen geschult. Nach der Entnahme gehen die Proben an ein Labor, das die entsprechenden PCR-Tests durchführt. „Die Hersteller unterstützen uns hierbei sehr und wir erhalten die Tests zu sehr günstigen Konditionen“, sagt Prof. Haier. Die Ergebnisse werden den Frauen von ihren Primärversorger:innen mitgeteilt. Im Falle eines positiven Tests erfolgt eine Behandlung in einer zentralen Einrichtung entsprechend der nationalen Richtlinien.
Kulturelle und strukturelle Herausforderungen
Prof. Haier selbst ist zweimal im Jahr für eine knappe Woche vor Ort. „Wir leiten die indonesischen Kolleg:innen von der wissenschaftlichen Seite an und kombinieren verschiedene Lehrtätigkeiten mit der Organisation des Projekts“, erläutert er. Im Hannoveraner Team arbeitet eine indonesische Kollegin, die unter anderem bei der Kommunikation und Kulturadaption unterstützt. „Die Indonesier:innen sind generell gegenüber Deutschland sehr positiv gestimmt“, sagt Prof. Haier. „Uns kommt zugute, dass wir nicht mit fertigen Lösungen kommen, sondern einen ‚Werkzeugkasten‘ präsentieren, wie man Dinge vor Ort unter den dortigen Bedingungen regeln kann. Wir unterstützen den Aufbau von Strukturen und bieten keine Copy-und-Paste-Lösung – und das wird sehr positiv aufgenommen.“
Als größte Herausforderung sieht Prof. Haier die Finanzierbarkeit bei einem landesweiten Einsatz dieser modernen Technologien. So gebe es in Indonesien zwar eine staatliche Versicherung, allerdings seien deren finanzielle Ressourcen und damit das Leistungsspektrum begrenzt. „Wir dürfen daher nur das anbieten, was hinterher für die Gesamtbevölkerung finanzierbar bleibt.“ Darüber hinaus sei der Zugang zu den diagnostischen Möglichkeiten eingeschränkt, denn: „Indonesien weist ein sehr heterogenes Bevölkerungsprofil zwischen der Metropolregion Jakarta und den 17.000 Inseln mit mangelhafter Infrastruktur auf.“ Im ganzen Land gebe es zudem nur ca. 5.000 Gynäkolog:innen. Eine weitere Herausforderung: „Gebärmutterhalskrebs betrifft das Reproduktionssystem der Frau, was im muslimischen Kontext mit gewissen Vorbehalten verbunden ist.“, so Prof. Haier. Die Herangehensweise in Indonesien sei im Vergleich zu anderen muslimischen Ländern zwar sehr offen, allerdings gebe es Bevölkerungsgruppen, die mit diesem Thema ein Problem hätten.
Folgende Ziele sollen mit dem IndoCerCa-Projekt erreicht werden:
- Design und Evaluation einer wünschenswerten und praktikablen Form eines populationsbezogenen HPV-Screenings in Zusammenarbeit mit Stakeholdern, politischen Entscheidungsträgern und Herstellern
- Ursachenanalyse zur Akzeptanz des HPV-Screenings im kommunalen und klinischen Gesundheitswesen in der Detektion von Gebärmutterhalskrebs
- Implementierung eines Lehrkonzeptes für die Anleitung des HPV-Screenings in der kommunalen Gesundheitsfürsorge
- Ermittlung des Kenntnisstands, Verhaltensweisen und Präferenzen für alternative Screening-Strategien in der Bevölkerung
- Identifizierung möglicher Ansätze für die Übertragung der Forschungsergebnisse in einen Ansatz für das gesamte Land
Ein Folgeprojekt, das zwei Regionen in Indonesien einbeziehen soll, ist bereits in Planung. „Wir hoffen, dass wir auch hierfür eine Förderung bekommen“, sagt Prof. Haier. Das Team hat darüber hinaus Zugriff auf die landesweiten Krankenkassendaten – demnach ist es möglich, Schlussfolgerungen über die Versorgung im gesamten Land zu ziehen.
Aufklärung spielt eine zentrale Rolle
Umso wichtiger ist eine umfassende Aufklärung. Um diese zu gewährleisten, gibt es begleitend zur Studie ein Booster-Projekt mit Kommunikationsschwerpunkt, das die verschiedenen Zielgruppen mit der neuen Technologie vertraut machen soll und zusätzlich vom Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit (BMZ) gefördert wird. „Die Zielgruppen umfassen zum einen die Frauen selbst, zum anderen aber auch das soziale Umfeld, speziell die Männer, sowie die Hebammen“, berichtet Maike Isfort, Koordinatorin Wissenschaftskommunikation im CCC der MHH. Das Kommunikationskonzept ist speziell auf indonesische Krebskompetenzbarrieren ausgelegt und soll die geplante nationale Einführung des Selbstproben-Screening-Ansatzes für Gebärmutterhalskrebs begleiten.
„Wir haben vor Ort, in Zusammenarbeit mit der Kooperationsuniversität, fünf Informationsfilme gedreht. Darin wird erläutert, was Gebärmutterhalskrebs ist, welche Screeningmöglichkeiten in Indonesien bisher existieren und welche Vor- und Nachteile ein Screening bietet. Ein Video geht speziell auf den HPV-Selbsttest ein und mit einem weiteren möchten wir das soziale Umfeld abholen“ erläutert Isfort. In Letzterem wird unter anderem erklärt, dass es keine religiösen Gründe gibt, nicht am Screening teilzunehmen. Unterstützung bekam das Projektteam unter anderem von einem Imam und von Dorfvorsteher:innen, die den Menschen in ihrer Sprache die Wichtigkeit des Screenings vermittelten. Das Projekt kam gut bei der indonesischen Bevölkerung an. „Ich habe sehr viel Offenheit erlebt und alle waren sehr engagiert und motiviert“, sagt Isfort. „Kultursensibel zu kommunizieren ist wichtig, vor allem bei diesem Thema. Aus dem Projekt nehmen wir ganz viel für unsere tägliche Arbeit mit.“
So entstand die deutsch-indonesische Zusammenarbeit
Bereits seit 2013 gibt es ein deutsch-indonesisches Regierungsabkommen mit der Gesundheit der Bevölkerung als zentralem Thema. Durch die Deutsch-Indonesische Gesellschaft für Medizin entstand damals der Kontakt zwischen indonesischen und deutschen Onkolog:innen. Die Zusammenarbeit wurde immer weiter intensiviert – unter anderem auf die Bitte des Bundesministeriums für Gesundheit, das die Anfangsphase der Zusammenarbeit und verschiedene frühere Projekte finanziell unterstützte. Zunächst erfolgte eine Bestandsaufnahme, um zu evaluieren, welche gesundheitlichen Themen in Indonesien besonders wichtig sind. „Wir kamen dann auch intensiv mit politischen Entscheidungsträger:innen in Kontakt und es gab regelmäßige Treffen mit den jeweiligen Gesundheitsminister:innen und Staatssekretär:innen“, erläutert Prof. Haier.
Seit 2015 gibt es in Indonesien eine zentrale staatliche Krankenversicherung, für die die deutschen Kolleg:innen beratend zur Seite standen.