Keimzelltumore Für Patient:innen besteht Bedarf an Therapieoptimierung
Da die Datenlage für Erwachsene mit iGCT extrem dünn ist, wertete das Team um Dr. Zschäbitz eine Sammlung retrospektiver Daten aus zehn Kliniken in Deutschland und der Schweiz aus. Die Forschenden wollten damit Erkenntnisse zu den Krankheitscharakteristika, aber auch zu den verabreichten Therapien und deren Behandlungserfolg im Erwachsenenalter gewinnen. Einschlusskriterium war ein Alter von mindestens 16 Jahren zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bzw. bei Eintreten eines Spätrezidivs einer iGCT. Alle Teilnehmenden waren zwischen 1994 und 2023 erstdiagnostiziert worden; die mediane Nachbeobachtungszeit belief sich auf 60 Monate.
Analysiert und statistisch ausgewertet wurden Daten von 75 überwiegend männlichen Patient:innen (92 %), die median 23 Jahre alt waren (94,7 % ≥ 18 Jahre). Bei den diagnostizierten Tumoren handelte es sich überwiegend um Germinome (70,7 %), gefolgt von Teratomen (10,7 %) und Tumoren mit gemischter Histologie (9,3 %); embryonale Karzinome und Dottersacktumoren gab es mit 2,7 % bzw. 1,3 % extrem selten.
Die Erkrankung befand sich überwiegend in einem lokalisierten Stadium (72,0 %) und war seltener metastasiert (21,3 %) oder bifokal (6,7 %). Symptomatisch standen bei der Diagnosestellung Sehstörungen/Doppelbilder (44,0 %), Kopfschmerzen (29,3 %), Diabetes insipidus (22,7 %) und Hypophyseninsuffizienz beziehungsweise andere hormonelle Insuffizienzen (17,3 %) im Vordergrund.
Knapp 70 % der Erkrankten hatten sich einer Operation unterzogen, ca. 80 % wurden mit einer Radio- und 63 % mit einer Chemo-therapie behandelt; 23 % hatten das intensive Regime PEI (Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid) erhalten. In 32 % der Fälle erfolgte die Therapie bimodal und in 48 % sogar trimodal. 61,3 % der Untersuchten hatten komplett angesprochen, 16 % erreichten eine partielle Remission mit negativem Marker und 4,0 % mit positivem Marker.
Rezidivmanagement
Rund 17 % der Behandelten erlitten nach median 19 Monaten ein Rezidiv, das überwiegend mit einer Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation behandelt wurde.
Die Prognose hängt von der Art des Tumors ab
Wie Dr. Zschäbitz berichtete, ging eine nicht-germinomatöse Keimzelltumor (NGGCT)-Histologie mit einem erhöhten Risiko für Rezidiv oder Tod einher (p = 0,012 bzw. 0,039). Entsprechend fiel das progressionsfreie Überleben nach drei Jahren bei NGGCT-Histologie mit 73,9 % schlechter aus als im Falle von Germinomen (98,1 %). Das Gleiche galt für das Gesamtüberleben nach fünf Jahren (78,3 % bzw. 98,1 %). Das mediane OS über alle Tumoren hinweg betrug 251 Monate.
„Die Heilungsraten bei reinen Germinomen sind damit sehr hoch“, konstatierte Dr. Zschäbitz, erinnerte aber auch daran, dass in der vorliegenden Germinom-Kohorte hohe Raten an trimodalen Therapien verabreicht worden waren. Für Patient:innen mit NGGCT bestehe dagegen Bedarf an Therapieoptimierung, wobei berücksichtigt werden müsse, dass das Gesamtüberleben in der NGGCT-Kohorte besser ausfiel als in historischen Kontrollen. Eine Behandlung sei damit auf jeden Fall besser als keine, sagte die Referentin.
Eine weitere wichtige Erkenntnis: Die Krankheitscharakteristika von Erwachsenen mit iGCT ähneln denen pädiatrischer Patient:innen. Ein interdisziplinäres Konsensus-Statement für Erwachsene auf Basis der Studie sei in Vorbereitung.
Quelle:
Zschäbitz S. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V899