Alkohol Gesund ist nur die Abstinenz

Autor: Michael Brendler

Entgegen bisheriger Empfehlungen scheint es keine risikofreie Trinkmenge zu geben. Entgegen bisheriger Empfehlungen scheint es keine risikofreie Trinkmenge zu geben. © boule1301 - stock.adobe.com

Aktuelle Studien widerlegen den Mythos, dass Alkoholkonsum in Maßen unbedenklich ist. Schon geringe Mengen scheinen sich auf Entstehung und Verlauf zahlreicher Erkrankungen auszuwirken.

Mehr als 20 g Alkohol pro Tag sind für Männer, mehr als 10 g für Frauen gesundheitsgefährdend, so das Robert Koch-Institut. Sicherlich gut gemeint, aber wissenschaftlich ist diese Warnung überholt, berichten Prof. Dr. ­Helmut ­Seitz vom Zentrum für Leber- und Alkoholerkrankungen der Heidelberger Ethianum Klinik und Prof. Dr. Ulrich John vom Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald. Da für viele Erkrankungen keine Schwellendosis existiert, betrage die empfohlene gefahrenlose Alkoholmenge null. Eine risikofreie Dosis gebe es nicht.

Die Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Mortalitätsrisiko wird anders als lange angenommen nicht durch eine J-förmige Kurve beschrieben. Diese würde bedeuten, dass sich kleine C2OH-Mengen viel weniger auf die Sterblichkeit auswirken als größere. Stattdessen ist das Verhältnis nahezu linear – auch bei geringen Mengen.

Tägliches Gläschen Rotwein ohne antioxidativen Effekt

Zwar enthält gerade Rotwein durchaus Inhaltsstoffe wie Resveratrol, denen eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wird. Damit sich diese entfalten kann, müsste man jedoch große Mengen toxischen Alkohols trinken, so die Autoren.

Eine lineare Beziehung existiert ebenso zwischen der Menge des konsumierten Alkohols und dem Risiko für zahlreiche Krankheiten, darunter Vorhofflimmern, Schlaganfall, Hypertonie, KHK, einige Lebererkrankungen, Pankreatitis, Diabetes und Epilepsie. Selbiges gilt für maligne Tumoren im Bereich von Mundhöhle, Pharynx, Larynx, Ösophagus, Mamma, Leber, Kolon und Rektum. Das Brustkrebsrisiko nimmt beispielsweise bereits ab 6 g Alkohol pro Tag zu – dies entspricht in etwa 1/16 l Wein. Jeder zusätzliche Drink erhöht die Inzidenz um weitere 12 %.

Durch Alkohol besonders gefährdete Gruppen

Kinder und Jugendliche: Sie haben ein erhöhtes Risiko für Abhängigkeit und spätere Krebserkrankungen.

Ältere Menschen: Im Alter reagieren Gehirn und Leber empfindlicher und der Alkohol wird langsamer metabolisiert. Nicht selten besteht die Gefahr von Arzneimittelinteraktionen.

Frauen: Die weibliche Leber reagiert empfindlicher auf Alkohol als die männliche. Als Ursachen kommen ein verminderter First-Pass-Effekt im Magen, ein geringeres Wasserverteilungsvolumen und eine alkoholbedingte Erhöhung der Östrogenkonzentration in Betracht.

 Personen mit bestimmten genetischen Konstellationen: Eine Homozygotie für die Alkohol-Dehydrogenase 1C*1 und eine Heterozygotie für die Acetaldehyd-Dehydrogenase 2 führen zur abnormen Akkumulation von Acetaldehyd beim Trinken. Dies geht mit einem erhöhten Risiko für Tumoren im oberen Verdauungs- und Respirationstrakt sowie im Kolon einher. Bestimmte genetische Varianten spielen bei der Pathogenese der alkoholischen Lebererkrankung eine Rolle.

 Raucher: Tabakrauchen und Alkoholkonsum erhöhen synergistisch das Risiko für Krebserkrankungen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich zahlreiche vorbestehende Leiden durch Alkoholkonsum nachweislich verschlechtern. Betroffenen raten die Autoren deshalb von jeglichem Alkoholgenuss ab. Als Beispiele nennen sie Patienten mit Arrhythmien, Hypertonie, gastro­ösophagealem Reflux, Zöliakie, verschiedenen Leber- und Fettstoffwechsel­erkrankungen. So hat Alkohol z.B. einen dosisabhängigen blutdrucksteigernden Effekt  – sowohl bei einmaligem als auch regelmäßigem Genuss. Bereits moderate Mengen steigern das Risiko für Vorhofflimmern, Grund dafür ist unter anderem der Elektrolytverlust. Abstinenz ist die einzige sichere Umgangsform mit Alkohol, lautet das Fazit von Prof. Seitz und Prof. John. Auf gar keinen Fall sollte täglich Alkohol getrunken werden, raten sie.

Quellen: 

1.    Seitz HK, John U. Inn Med (Heidelb) 2023; 64: 1224-1229; DOI: 10.1007/s00108-023-01574-2
2.    Lange C et al. J Health Mon 2017; 66-73; DOI: 10.17886/RKI-GBE-2017-031