Gesunde mit physiologischem Blutdruck haben ein erhöhtes Risiko
Das Ergebnis einer aktuellen Studie führte Dr. Daniel W. Jones vom University of Mississippi Medical Center, Jackson, in einem begleitenden Kommentar zu der Frage: Welcher Blutdruck ist eigentlich „normal“?1 Die Grenze, die einen Hypertonus definiert, ist über die Jahre konsequent gesunken. Von 160 mmHg auf 140 mmHg und in den US-amerikanischen Leitlinien zuletzt auf 130 mmHg. Was wir unter einem normalen Druck verstehen, beruht vor allem auf randomisierten klinischen Studien. In diesen Untersuchungen geht es letztlich immer darum, das optimale Risiko-Nutzen-Verhältnis zu finden, dass bei Patienten (!) mit einer Therapie erreicht werden kann, erklärt Dr. Jones.
Der jüngsten Analyse liegt aber eine andere Fragestellung zugrunde: In welchem Bereich sollte sich der Blutdruck bei Gesunden idealerweise bewegen, um das Auftreten einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung (ASCVD) zu verhindern? Der Antwort näherten sich Dr. Seamus P. Whelton vom Johns Hopkins Ciccarone Center for Prevention of Cardiovascular Disease, Baltimore, und Kollegen in einer Observationsstudie mit 1457 normotonen Personen ohne Herz-Kreislauf-Erkrankung und ohne Risikofaktoren.2 Hieß konkret: Keine Dyslipidämie, kein Diabetes, kein Tabakkonsum, RR zwischen 90 und 129 mmHg (ohne Medikation, versteht sich).
Pro 10 mmHg stieg das Risiko um 53 %
Im mittleren Follow-up von 14,5 Jahren entwickelten 94 Teilnehmer eine ASCVD. Je höher der Blutdruck, desto häufiger kam es zu einer solchen Diagnose. Pro 10 mmHg mehr auf dem Manometer stieg das Risiko um 53 %. Verglichen mit einem systolischen Druck von 90–99 mmHg verdreifachten Werte zwischen 100 und 109 mmHg das Risiko für Neuerkrankungen (adjustierte Hazard Ratio 3,0), im Bereich zwischen 120 und 129 mmHg lag es sogar fast fünfmal so hoch (adjustierte Hazard Ratio 4,58). Damit einher ging u.a. eine stärkere Zunahme an kardiovaskulären Risikofaktoren.
Den Autoren zufolge unterstreichen diese Ergebnisse die Relevanz primärpräventiver Bemühungen. Auch Kommentator Dr. Jones versteht die Studie als Reminder, dass es nicht ausreicht, erst den manifesten Hypertonus zu therapieren.
Sich möglichst früh an sieben Regeln halten
Der Herz-Kreislauf-Schutz müsse früher beginnen. Ärzte sollten Patienten und Angehörige von ASCVD-Kranken so früh wie möglich zu einem gesunden Lebensstil ermutigen und ihnen die „Life’s Simple 7“ der AHA* näherbringen: Blutdruck niedrig halten, Cholesterin- und Blutzuckerspiegel kontrollieren, körperlich aktiv sein, gesund essen, ggf. abnehmen und nicht rauchen.
* American Heart Association
Quellen:
1. Jones DW. Jama Cardiol 2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.1742
2. Whelton SP et al. A.a.O.: DOI: 10.1001/jamacardio.2020.1731