Typ-2-Diabetes-Management Glykämisch alles unter Kontrolle
Entscheidend für eine nachhaltige Diabeteskontrolle ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei nach wie vor der gesunde Lebensstil, wobei bekanntermaßen schon kleine Schritte eine große Wirkung erzielen. Wichtig ist, dass der Patient Bescheid weiß. Deshalb sollten alle Typ-2-Diabetiker im Selbstmanagement geschult werden, betont das Team der amerikanischen und europäischen Diabetesfachgesellschaften um Prof. Dr. Melanie Davies vom Leicester Diabetes Research Centre.
Bei Übergewicht kann bereits eine Reduktion um 5 % klinisch relevante Effekte erzielen. Wer mehr als 10 % schafft, wird eventuell mit einer Remission belohnt. Mit Unterstützung durch einen GLP1-Rezeptoragonisten werden oft mehr als 15 % erreicht. Eine bariatrische Operation sollte bei Adipositas permagna (≥ 40 kg/m2) möglichst früh im Krankheitsverlauf erfolgen, wenn die Betroffenen es nicht schaffen, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren oder sich Komorbiditäten unter konservativer Therapie nicht bessern.
Auch regelmäßige körperliche Aktivität kann viel ausrichten. Mindestens 150 Minuten wöchentlich sollten es sein. Aber bereits eine halbe Stunde Bewegung in der Woche verbessert das Stoffwechselprofil. Wer im Sitzen arbeitet, sollte alle 30 Minuten eine kurze „Laufpause“ einlegen. Nicht zu unterschätzen ist der metabolische Effekt einer guten Nachtruhe. Kurzschläfer bessern mit einem verlängerten Schlummer ihre Insulinsensitivität und verringern die Kalorienaufnahme. Ein Aufholschlaf am Wochenende kann den negativen Effekt des Mangels nicht ausgleichen.
Kardioprotektion oder Blutzuckerkontrolle zuerst?
Die Wahl der medikamentösen Therapie hängt vom primären Ziel ab, also ob die Senkung des kardiorenalen Risikos oder die glykämische Kontrolle an erster Stelle steht. Alle Typ-2-Diabetiker mit bereits manifester kardiovaskulärer Erkrankung sollten einen GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) oder einen SGLT2-Inhibitor erhalten, der nachweislich gravierende Herzereignisse verhindert. Letzterer hat auch einen günstigen Einfluss auf Herzinsuffizienz und Nierenfunktion, erklärt das Autorenteam.
Bei chronisch nierenkranken Diabetikern mit einer eGFR ≥ 20 ml/min/1,73 m2 und einem Albumin-Kreatinin-Quotienten > 30 mg/g geben die Experten dem SGLT2-Hemmer den Vorzug. Im Fall von Kontraindikationen oder mangelnder Verträglichkeit plädieren sie für einen GLP1-RA. Diese Therapie wird bis zu einer etwaigen Transplantation fortgesetzt. Für Diabetiker mit Herzinsuffizienz (mit und ohne Einschränkung der Ejektionsfraktion) stehen SGLT2-Hemmer mit belegten Effekten an erster Stelle.
Von der Organprotektion können Typ-2-Diabetiker ohne kardiovaskuläre Erkrankung, aber mit multiplen Risikofaktoren ebenso profitieren. Als solche gelten zum Beispiel ein Alter ≥ 55 Jahre, Adipositas, Hypertonie, Nikotinabusus, Dyslipidämie und Albuminurie. Für diese Patienten rät das Team ebenfalls zu einem GLP1-RA oder einem SGLT2-Inhibitor mit nachgewiesenem Schutzeffekt. Die Substanzen nützen unabhängig von einer Begleittherapie mit Metformin.
Die Reduktion schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse ist wahrscheinlich unabhängig vom Ausgangs-HbA1c-Wert. Deswegen sollte die Entscheidung für den Einsatz eines GLP1-RA oder SGLT2-Inhibitors bei Hochrisikopatienten nicht von der Blutzuckereinstellung abhängig gemacht werden. Auch ältere Personen haben einen Nutzen von dem organprotektiven Effekt. Bei jungen Typ-2-Diabetikern (< 40 Jahre) sollte man eine frühzeitige Kombination beider Wirkprinzipien erwägen.
Wenn das Therapieziel in der glykämischen Kontrolle besteht, hängt die Wahl des Antidiabetikums vom individuellen Profil ab (Begleiterkrankungen, Nebenwirkungen etc.). Für die meisten Patienten ohne hohes Risiko für kardiale und renale Erkrankungen bleibt Metformin das Mittel der Wahl.
Metformin mono meist nicht ausreichend
Das Biguanid erzielt eine deutliche Reduktion des Glukosespiegels, birgt nur ein minimales Hypoglykämierisiko und hat keinen negativen Einfluss auf das Körpergewicht. Allerdings scheitert die Behandlung nicht selten aufgrund von Kontraindikationen oder mangelnder Verträglichkeit. Außerdem lässt sich mit einer Monotherapie oft keine ausreichende Blutzuckerkontrolle erzielen. In solchen Fällen kommen weitere Wirkstoffe einschließlich GLP1-RA, SGLT2-Inhibitoren, Sulfonylharnstoffen, DPP4-Hemmern und Insulin in Betracht. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf das Hypoglykämierisiko gerichtet werden (ggf. weniger rigide Einstellung).
Statt Therapiewechsel lieber clever kombinieren
Statt der früher üblichen Stufentherapie setzt man beim Typ-2-Diabetes heute eher auf eine proaktive Strategie. Die Kombination mehrerer Wirkstoffe zur Ersteinstellung ermöglicht eine striktere Blutzuckerkontrolle. Kandidaten für das intensivierte Vorgehen sind zum Beispiel Patienten, die schon zum Zeitpunkt der Diagnose einen HbA1c > 8,5 % aufweisen sowie junge Erwachsene mit Typ-2-Diabetes (unabhängig vom HbA1c). Wenn eine zusätzliche glykämische Kontrolle benötigt wird, sollte man statt eines Substanzwechsels eher komplementäre Wirkmechanismen kombinieren.
Vor dem Beginn einer Insulintherapie empfehlen die Autoren zunächst zu prüfen, ob die Behandlung mit einem GLP1-RA infrage kommt. Fällt die Entscheidung zugunsten der Hormontherapie, beginnt sie am besten mit einem Basalinsulin, wobei entsprechende Analoga mit einem verringerten Risiko vor allem für nächtliche Hypoglykämien einhergehen. Die Basaldosis wird auftitriert, bis das Ziel für den Nüchternblutzucker erreicht ist. Bei Bedarf erhält der Patient zusätzlich ein Mahlzeiteninsulin, eventuell eignet sich der Einsatz von Mischinsulinen. Wichtig: Die Behandlung mit organprotektiven Antidiabetika und Metformin muss unter der Hormonbehandlung weiterlaufen.
Quelle: Davies MJ et al. Diabetologia 2022; DOI: 10.1007/s00125-022-05787-2