Normnahe Blutdruckwerte senken Mortalität stärker als strikte Diabeteskontrolle
Bei der Blutdruckeinstellung ist noch Luft nach oben: Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt, erreicht nur etwa die Hälfte der Patienten mit Hypertonie den empfohlenen Zielbereich. Darauf hat Professor Dr. Tom Lindner, Universitätsklinikum Leipzig hingewiesen. Daneben bemüht sich die hypertensiologische Forschung um weitere Klärung, etwa eine Differenzierung des Zielblutdrucks nach Glykämiestatus. „Der optimale Zielblutdruck ist bei Normoglykämie und Prädiabetes hinsichtlich kardiovaskulärer Mortalität und Gesamtmortalität nicht bekannt“, erklärte der Experte.
Zu diesem Thema liegt nun eine Analyse von über 40.000 Datensätzen aus dem NHANES-Programm vor. Hier wurde die Blutdruckeinstellung mit der Diabeteskontrolle im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse verglichen. Ein Stück weit bestätigte diese neue Analyse bereits bekannte UKPDS-Ergebnisse: „Dabei zeigte sich, dass die Blutdruckeinstellung hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse wichtiger ist als die Diabeteseinstellung“, brachte es der Experte auf den Punkt.
Bei der Analyse wurden in Abhängigkeit vom Glykämiestatus drei Gruppen unterschieden: Normoglykämie, Prädiabetes und Diabetes. Der Auswertung zufolge richteten sich die Überlebenskurven im Verlauf von 16 Jahren primär nach dem Blutdruckstatus. Demnach fanden sich bei allen Gruppen ohne Bluthochdruck bessere Überlebenswahrscheinlichkeiten im Vergleich zu jenen mit Hypertonie. Nur sekundär wirkte sich der Glykämiestatus aus – mit dem niedrigsten Risiko bei Normoglykämie und dem höchsten Risiko für Menschen mit Diabetes.
Laut Studienautoren wurde zudem mittels statistischer Modelle das Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität ermittelt: Das niedrigste Risiko fand sich in der Gruppe mit Normoglykämie bei systolischen Blutdruckwerten (SBP) von 115–120 mmHg. Für Patienten mit Prädiabetes lag das Blutdruckoptimum zwischen 120 mmHG und 130 mmHG, für Menschen mit Diabetes zwischen 125 mmHG und 135 mmHg. „Letztlich entspricht dies dem Bereich, den wir als Therapieziel ausrufen“, so Prof. Lindner.
Weitere Differenzierungen zeigten, dass sich auch bei einem niedrigen systolischen Blutdruck unter 100 mmHg das Risiko erhöhte. Das Gleiche galt für hohe SBP-Werte über 150 mmHg. Wobei dieser Analyse zufolge insbesondere Menschen mit Prädiabetes ab einem systolischen Blutdruckwert von 150 mmHg ein Gefahrenpotenzial haben, resümierte Prof. Lindner. Möglicherweise müsse man bei diesem Patientenkollektiv genauer hinschauen, so sein Kommentar.
Quelle: Diabetes Update 2021