Thoraxschmerzen Hör auf sein Herz!

Autor: Sabine Mattes

Psychisch Erkrankte erhalten mit einer halb so hohen Wahrscheinlichkeit eine Myokardinfarktdiagnose gegenüber Gesunden - das zeigen neue Studiendaten. Psychisch Erkrankte erhalten mit einer halb so hohen Wahrscheinlichkeit eine Myokardinfarktdiagnose gegenüber Gesunden - das zeigen neue Studiendaten. © 9dreamstudio – stock.adobe.com

Trotz ihres erhöhten kardiovaskulären Risikos werden Menschen mit psychotischen und affektiven Erkrankungen in der Notaufnahme oft nicht genau genug untersucht. 

Psychisch kranke Patienten haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Trotzdem werden sie, wenn sie sich mit Brustschmerzen in der Notaufnahme vorstellen, weniger intensiv untersucht als mental Gesunde. Das ergab eine schwedische Studie unter Federführung von Dr. ­Andreas ­Roos, Karolinska-Institut in Stockholm.

Die Analyse der Wissenschaftler beruht auf Daten aus sieben schwedischen Krankenhäusern. Mehr als 200.000 Patienten hatten sich dort zwischen 2010 und 2016 mit Thoraxschmerzen in notfallmedizinische Betreuung begeben. Rund jeder Fünfte litt unter einer psychotischen oder affektiven Erkrankung. 

Diesen psychisch beeinträchtigten Teilnehmern erging es deutlich anders als den restlichen Patienten: Sie wurden seltener stationär aufgenommen und die Wahrscheinlichkeit einer Myokardinfarktdiagnose lag nur etwa halb so hoch. Dieser Unterschied blieb selbst dann bestehen, wenn eine Myokardverletzung durch Troponin-I-Messung biochemisch nachweisbar war.

Betroffene mit psychischer Störung erhielten ebenfalls verhältnismäßig weniger perkutane transluminale Koronarangioplastien und wurden seltener mit kardiovaskulären Medikamenten wie Statinen oder Thrombozytenhemmern therapiert. Allerdings hatten psychisch kranke Patienten ohne Myokardinfarktdiagnose gegenüber mental Gesunden ein bis zu 2,6-fach erhöhtes Risiko, innerhalb von 30 Tagen nach ihrem Krankenhausbesuch eine solche zu erhalten.

Die Autoren vermuten hinter den Ergebnissen eine Kombination aus verschiedenen Faktoren: Patienten mit psychischen Störungen suchten schneller und häufiger notfallmedizinische Betreuung – diese geringere Hemmschwelle könne die „diagnostische und therapeutische Aggressivität“ mancher Ärzte begrenzen. Zudem seien ihre Symptome oft schwieriger zu interpretieren und asymptomatische kardiale Verläufe keine Seltenheit. Gerade weil für diese Patientengruppe aber ein erhöhtes kardiologisches Risiko bestünde, müssten Strategien gefunden werden, um ihre Prognose zu verbessern, fordern die Wissenschaftler.

Quelle: Roos A et al. J Intern Med 2022; DOI: 10.1111/joim.13598