Hypertrophe Kardiomyopathie Hypertrophe Herzmuskelerkrankung braucht Teamwork

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Braucht dieser Kardiomyopathie-Patient einen ICD? Das hängt auch von seinen persönlichen Behandlungszielen und seiner Risikotoleranz ab. Braucht dieser Kardiomyopathie-Patient einen ICD? Das hängt auch von seinen persönlichen Behandlungszielen und seiner Risikotoleranz ab. © Science Photo Library/Marazzi, Dr. P

Von kaum spürbaren Einschränkungen bis hin zum plötzlichen Herztod – die hypertrophe Kardiomyopathie kann sehr variabel verlaufen. Eine Leitlinie formuliert zehn Ratschläge, die den vielen Facetten gerecht werden sollen.

Empfehlung 1 

Die aktualisierte US-amerikanische Leitlinie zum Management der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) stellt in ihren Take Home Messages die partizipative Entscheidungsfindung an erste Stelle. Am besten bespricht man mit Patientinnen und Patienten sowie deren Familien offen, welche Test- und Therapiemöglichkeiten es gibt und wo deren Chancen und Risiken liegen. Ziel ist der optimale Nutzen für die individuell betroffene Person.

Empfehlung 2 

Eine wichtige Rolle in Primärdiagnostik, Akuttherapie und Dauerbehandlung spielen kardiologische Praxen und Abteilungen. Um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten, rät die Leitlinie, z.B. bei komplexen Entscheidungen die Expertise eines multidisziplinären HCM-Zentrums zu nutzen.

Empfehlung 3

Mit einer sorgfältigen Familienanamnese über drei Generationen lässt sich die häufig vorhandene genetische Komponente (meist autosomal dominant) erfassen. Verwandten ersten Grades soll ein Screening (EKG, Echokardiografie, ggf. genetische Testung) angeboten werden. Follow-up-Untersuchungen von Familienmitgliedern hängen von der Pathogenität der im Indexfall detektierten Genvariante ab. Hier lohnt erneut der Einbezug eines HCM-Zentrums.

Empfehlung 4

Ob ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator benötigt wird, hängt vom Risiko für einen plötzlichen Herztod ab. Dieses sollte man initial und im Verlauf alle ein bis zwei Jahre ermitteln. Zu den Risikofaktoren gehören u.a. Arrhythmien oder Synkopen in der Anamnese sowie Echoparameter wie eine maximale linksventrikuläre Wanddicke ≥ 30 mm.

Empfehlung 5

Die Bestimmung des Herztodrisikos bei Kindern und Jugendlichen mit HCM unterscheidet sich von der bei Erwachsenen. Zudem liegt die Hürde für eine ICD-Indikation oft höher, da in der Wachstumsphase häufiger gerätebedingte Komplikationen auftreten. Die Leitlinie verweist für diese Altersgruppe auf spezielle Risikokalkulatoren und HCM-Zentren.

Empfehlung 6

Zur Therapie der symptomatischen obstruktiven HCM steht inzwischen der kardiale Myosin-Inhibitor Mavacamten zur Verfügung. Betroffene, die auf die medikamentöse Erstlinientherapie unzureichend ansprechen, können davon profitieren.

Empfehlung 7

Bei schwerer therapieresistenter Erkrankung kommt eine chirurgischen septale Myektomie oder eine Alkohol-Septumablation infrage. In erfahrenen Händen sind beide Optionen sicher und effektiv.

Empfehlung 8 

Ein persistierendes oder paroxysmales Vorhofflimmern (VHF) geht bei HCM mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko einher. Deshalb plädiert das Leitliniengremium für eine Prophylaxe mit NOAK oder Vitamin-K-Antagonisten unabhängig vom CHA2DS2-VASc-Score. HCM-Patientinnen und Patienten tolerieren insbesondere ein VHF mit Tachykardie schlecht. Umso wichtiger ist die Erhaltung des Sinusrhythmus und die Frequenzkontrolle.

Empfehlung 9

Kardiale Stresstests eignen sich zur Einschätzung der allgemeinen Belas­tungstoleranz und zum Nachweis einer latenten Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts. Besonders relevant sind routinemäßige Belastungstests bei Kindern. Denn diese können ihre Symptome häufig noch nicht genau beschreiben.

Empfehlung 10

Immer mehr Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass körperliche Bewegung auch bei Vorliegen einer HCM die Gesundheit fördert. Freizeitsport einschließlich solchem mit hoher Intensität (> 6 MET*) birgt Studien mit kurzer Beobachtungszeit zufolge kein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Arrhythmien. Leistungs- und Wettkampfsport scheinen ebenfalls möglich zu sein – vorausgesetzt, es gibt grünes Licht nach einer Nutzen-Risiko-Einschätzung und der bzw. die Betroffene lässt sich regelmäßig untersuchen.

*    metabolisches Äquivalent

Quelle: Ommen SR et al. Circulation 2024; DOI: 10.1161/CIR.0000000000001250