Parkinsondiagnostik Idiopathisch oder doch atypisch?
Der häufigste Grund für den Verdacht auf ein atypisches Parkinsonsyndrom (aPS) ist ein geringes oder nur kurzfristiges Ansprechen auf Levodopa bei gleichzeitig rascher Progression. Nicht-neurologische Merkmale finden sich nur selten, können aber einen hohen prädiktiven Wert haben, schreibt ein Team um Prof. Dr. Michiko Bruno von der University of Hawaii.
Unerwartete Anomalien in der MRT sprechen für ein aPS. Dasselbe gilt für kognitive Störungen und Verhaltensauffälligkeiten. Sie treten bei progressiver supranukleärer Lähmung, kortikobasalem Syndrom und Lewy-Körper-Demenz schon früh auf. Typischerweise kommt es zu Apraxie, Aphasie und einer visuell-räumlichen Beeinträchtigung. Auch Enthemmung, Apathie und Halluzinationen sind verbreitet.
Eine Augenbeteiligung macht sich oft mit verschwommenem Sehen bemerkbar, ausgelöst z. B. durch Probleme mit der Fixierung, der okulären Motilität und der Lidkontrolle. Zudem treten vermehrt subjektive Diplopie, unspezifische Probleme mit dem Lesen, Photophobie und trockene Augen auf. Manche Betroffene zeigen verlangsamte Sakkaden.
Das unzureichende oder nur vorübergehende Ansprechen auf Levodopa führt wie beim typischen Parkinson zu motorischen Störungen. Weitere typische Warnzeichen sind ein plötzliches Einfrieren des Gangs, Stürze und motorischer Unterstützungsbedarf bereits in den ersten drei Krankheitsjahren. Zu den autonomen Veränderungen zählen eine orthostatische Hypotension, die sich nicht mit dem Einfluss von Levodopa erklären lässt, Harnretention, Inkontinenz und Schwindel.
Jeder aPS-Verdacht sollte mittels Anamnese, neurologischer Untersuchung und MRT (ohne Kontrastmittel) abgeklärt werden. Auch eine etwaige orthostatische Hypotension, Pulsveränderungen und die frontale kognitive Funktion sind zu erfassen. Gleiches gilt für einen Nystagmus und Kayser-Fleischer-Ringe (M. Wilson). Als Nächstes empfiehlt das Autorenteam eine Kontrolle der Rigidität des Nackens und aller vier Gliedmaßen. Das Gleichgewicht wird mit dem Pull-Test geprüft.
Wenn die Befundkonstellation keines der sieben häufigsten aPS (siehe Kasten) nahelegt, helfen Biomarker und Bildgebung weiter. Verbreitet ist die Bestimmung von Coeruloplasmin, Kupfer und 24-Stunden-Urinkupferspiegel (M. Wilson). Bei Personen mit Verdacht auf autoimmune zerebelläre Ataxie wird i. d. R. der Liquor untersucht. FDG-PET und HMPO-SPECT bleiben besonderen Fragestellungen vorbehalten.
Die 7 häufigsten atypischen Parkinsonsyndrome
- PSP: Progressive supranukleäre Parese
- CBS: Kortikobasales Syndrom
- MSA: Multisystematrophie
- LBD: Lewykörper-Demenz
- NPH: Normaldruckhydrozephalus
- VPS: Vaskuläres Parkinsonsyndrom
- DIP: Medikamentöser Parkinson
Alternativ kommt ein konservatives Vorgehen infrage: Man belässt es bei der Diagnose „aPS“ und bietet eine Kontrolle nach drei bis sechs Monaten an – bei neuen Symptomen oder rascher Progredienz auch früher. Diese Strategie dürften viele Betroffene bevorzugen, die an Demenz, starken motorischen Einschränkungen oder schwerer Komorbidität leiden.
Quelle: Bruno MK et al. Neurol Clin Pract 2024; doi: 10.1212/CPJ.0000000000200345