DGHO-Jahrestagung Im Interview mit den beiden DGHO-Kongresspräsident:innen
Eine Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie auszurichten ist sicher eine Herausforderung: Was sind die wichtigsten Kennzahlen der Veranstaltung?
Prof. Dr. Carsten Bokemeyer: Die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie ist in der Tat eine Großveranstaltung. Wir haben jetzt schon über 4000 Anmeldungen und erwarten 6000 Teilnehmer:innen. Es wurden 768 wissenschaftliche Beiträge eingereicht, insgesamt finden 1441 Präsentationen in Vorträgen und Postersitzungen statt – diese haben wir in 265 Sitzungen an vier Tagen strukturiert. Wir werden das komplette Congress Center Hamburg (CCH), das erfreulicherweise neu gestaltet ist und die Teilnehmenden einladend und hell empfangen wird, nutzen inklusive einer großen Ausstellung der pharmazeutischen Industrie und 10 Non-Profit-Institutionen.
Inwieweit ist eine digitale Teilnahme möglich? Falls nein, wieso haben Sie sich dagegen entschieden?
Prof. Bokemeyer: Wir haben uns gegen die digitale Teilnahme entschieden, denn der Kongress lebt vom Austausch und vom Treffen der großen „Hämatologie und Onkologie-Familie“. Es sind ja alle wissenschaftlichen Beiträge im Kongressband veröffentlicht, der elektronisch und in gedruckter Form verfügbar ist, ein großer Teil der Präsentationen wird zudem ebenfalls über die Website verfügbar sein.
Mit den sogenannten Special Symposia möchten Sie besondere Akzente setzen: was ist das Konzept und welche Inhalte kann man erwarten?
Prof. Bokemeyer: Special Symposia haben wir für das Thema „Aiming for cure“ eingerichtet: Hier ist insbesondere für die Myelome und für das Bronchialkarzinom der Weg aufgezeichnet, wie wir mit den innovativen Therapien der letzten Jahre zu noch besseren Heilungschancen kommen können. Hier soll Innovation interessant dargestellt werden, gleichzeitig möchten kritisch und interaktiv diskutieren, wie wir auf diesem Gebiet noch mehr erreichen. Diese Krankheiten stehen paradigmatisch für weitere Entitäten, bei denen ähnliche Entwicklungen stattfinden, wie beispielsweise beim malignen Melanom.
Darüber hinaus setzen wir einen Schwerpunkt auf die Immunonkologie, beleuchten die Ergebnisse, die heute mit etablierten Therapien wie Checkpointinhibitoren erzielt werden, diskutieren aber auch den Stellenwert der neuesten immunologischen Innovation wie bifunktioneller Antikörper, Antikörper-Drug-Konjugate und der zellulären Therapie. Hierzu werden unsere beiden Keynote-Sprecher, Prof. Marcel van den Brink und Prof. John Haanen, am Samstag Stellung nehmen.
Frau Professor Baldus, was sind darüber hinaus in Ihren Augen aus hämatologischer Sicht herausragende Themen bei der Jahrestagung 2023?
Prof. Dr. Claudia Baldus: Im Mittelpunkt stehen hier Innovationen der zellulären Immuntherapie, der molekularen Diagnostik und der weiteren Entwicklung von chemotherapiearmen Therapieregimen. Hier gibt es viele wissenschaftliche Errungenschaften aber auch Strategien, diese Innovationen in die Krankenversorgung für unsere Patienten umzusetzen.
Herr Professor Bokemeyer, mit welchen weiteren Themen aus der medizinischen Onkologie sollten sich Teilnehmende unbedingt befassen aus Ihrer Sicht?
Prof. Bokemeyer: In der Medizinischen Onkologie werden wir auch die Zulassung neuer Arzneimittel diskutieren in einem gemeinsamen Symposium mit ESMO und EHA, zu dem ich herzlich einlade. Zudem werden auch wichtige strukturelle Themen, wie die Etablierung onkologischer Zentren und deren Weiterentwicklung diskutiert. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass unser junger Nachwuchs seine spannenden Ergebnisse meist in Postersitzungen präsentiert. Hier finden sich oft wissenschaftlich hervorragende Beiträge von jungen talentierten und motivierten Kolleginnen und Kollegen, so dass ich auch diese Sessions unbedingt empfehle.
Am 14.10. gibt es einen Studierendentag: wie wurde dieses Angebot bei anderen Jahrestagungen angenommen und was erwartet die Teilnehmer:innen? Inwieweit ist es schwieriger geworden, Nachwuchs für die Onkologie und Hämatologie zu begeistern?
Prof. Bokemeyer: Der Studierendentag wird bereits jetzt sehr gut angenommen. Diese Veranstaltung ist schon immer gut besucht worden, nun gibt es aber bereits weit über 100 Registrierte und wir hoffen damit auch, viele junge Studentinnen und Studenten für das hochinnovative und spannende Fach der Hämatologie und medizinischen Onkologie langfristig zu begeistern.
Natürlich ist dies eine Herausforderung, wer jedoch an moderner Medizin und der Verbindung von Innovation und molekularen Grundlagen sowie gleichzeitig an kontinuierlicher langfristiger Betreuung von Patient:innen interessiert ist, wird sich in diesem Fach genau richtig aufgehoben fühlen. Dies müssen wir den jungen Kolleginnen und Kollegen vermitteln!
Auf welches Rahmenprogramm können sich Kongressbesucher:innen freuen? Was sind Ihre Tipps für die Abende?
Prof. Bokemeyer: Besonders freuen würden wir uns , wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen tatsächlich am Eröffnungsabend teilnehmen, bei dem nicht nur unsere Fachgesellschaft im Fokus stehen wird, sondern wo wir auch einen Blick über den Tellerrand auf die Klimaprobleme und deren Implikation auf die Medizin werfen möchten. Prof. Latif als weltweit renommierter Klimaforscher wird zum Thema Klimawandel und seine Bedeutung u.a. für Krebserkrankungen Stellung nehmen. Darüber hinaus haben wir danach die Möglichkeit, beim Buffet zu diskutieren und bei toller grooviger Musik zu entspannen.
Hamburg ist natürlich immer interessant. Auch wenn ich niemanden motivieren möchte, den Kongress zu verlassen, um sich die Stadt anzusehen, so ist der Weg nach Planten und Blomen dank des Umbaus des Congress Centers nur noch ein paar Schritte weit. Diesen wunderschönen „Park mitten in der Stadt“ sollte man sich unbedingt ansehen. Auch der Weg vom CCH zum Hamburger Rathaus, zur Binnenalster und zum Jungfernstieg ist äußerst kurz und kann in einer kurzen Pause durchaus einfach zurückgelegt werden. Natürlich ist die Elbphilharmonie eine tolle Sehenswürdigkeit und steht sicherlich auch bei vielen auf dem Programm.
Das Hamburger Kennzeichen ist jedoch die Hauptkirche St. Michaelis – der Michel, ebenfalls ein attraktives Ziel für Tourist:innen. Er ist das Tor zum Hamburger Hafen, dem Wahrzeichen Hamburgs schlechthin, wo man den alten Elbtunnel findet, das internationale Schifffahrtsmuseum, die Speicherstadt, die Hafencity, das Miniaturwunderland – nur um einige weitere interessante Sehenswürdigkeiten zu erwähnen.
Liebe Frau Professor Baldus, wenn Sie am 16. Oktober auf den Kongress zurückblicken: was muss geschehen sein, damit Sie sagen, dass es eine erfolgreiche Jahrestagung war?
Prof. Baldus: Das Gefühl, ein Forum für spannende wissenschaftliche Referate, informative Fortbildungen und interprofessionellen Austausch geschaffen zu haben. Noch dazu den Nachwuchs für die Hämatologie und Onkologie nachhaltig begeistert zu haben.
Interview: Jochen Schlabing