COPD Internationales Expertenteam einigt sich auf Konsensuskriterien
Ein internationales 57-köpfiges Expertenteam um Prof. Dr. Jennifer Philip, Department of Medicine an der University of Melbourne, hat Konsensuskriterien zur palliativen Versorgung von Menschen mit COPD entwickelt. Diese legen fest, unter welchen Bedingungen Betroffenen im fortgeschrittenen Stadium eine ambulante Betreuung durch spezialisierte Palliativteams angeboten werden sollte.
In der Finalrunde konnte sich das Team auf 17 Majorkriterien einigen. Sechs davon bezogen sich auf die Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen und die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung:
- zwei und mehr Hospitalisierungen in den letzten drei Monaten
- zwei und mehr Aufenthalte auf Intensivstationen in den vergangenen zwölf Monaten
- nicht-invasive Beatmung (NIV) wegen akuter oder chronischer respiratorischer Insuffizienz in den vergangenen sechs Monaten
- Heimbeatmung
- Listung für eine Lungentransplantation
- Notwendigkeit einer ECMO in den vergangenen zwölf Monaten
Wünsche berücksichtigen und Nöte lindern
Weitere acht Kriterien beruhen auf Symptomen, psychosozialen Bedürfnissen und gemeinsamen Entscheidungen. Diese sind:
- schwere chronische Kurzatmigkeit trotz optimaler Behandlung und damit verbundenen Einschränkungen
- schwere körperliche Symptome (z. B. Schmerzen, Dyspnoe, Übelkeit, Fatigue)
- schwere psychische Symptome (z. B. Angst, Depression)
- schwere existenzielle oder spirituelle Sorgen (Sinnfragen, Leid, Reue)
- starke Stressbelastung der pflegenden Angehörigen
- Wunsch nach beschleunigtem Tod bzw. assistiertem Suizid
- Wunsch einer Palliativbetreuung seitens der Betroffenen bzw. der Angehörigen
- Beendigung/Deeskalation lebensverlängernder Maßnahmen
Drei weitere Kriterien beziehen sich auf die Prognose und die Leistungsfähigkeit:
- Lebenserwartung von höchstens sechs Monaten
- Sechs-Minuten-Gehstrecke kürzer als 100 m
- Karnofsky-Performance-Status ≤ 30
Zusätzlich wurden 30 Minorkriterien definiert, die zur Entscheidung für eine Palliativbetreuung herangezogen werden können. Neben den oben genannten Kategorien wurden hierbei auch Komorbiditäten und Exazerbationen berücksichtigt. Dazu gehören weitere chronische Erkrankungen wie metastasierte Karzinome, Demenz, chronische Hyperkapnie oder Hypoxämie sowie kognitive Einschränkungen. Auch zwei oder mehr ambulant behandelte COPD-Exazerbationen in drei Monaten wurden einbezogen, die Notwendigkeit systemischer Kortikosteroide über mehr als drei Monate im vergangenen Jahr und fehlendes Ansprechen auf die übliche Therapie.
Die Einigung auf die Major- und Minorkriterien stellt einen ersten Schritt in Richtung Standardisierung der klinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit COPD dar, schreibt das Autorenteam. Der Zugang zu einer adäquaten palliativen Versorgung bei fortgeschrittener COPD könnte so vereinheitlicht werden, was die Versorgung gerechter machen würde. Um die Kriterien in den verschiedenen Ländern zu implementieren und deren Einfluss auf die Versorgung zu untersuchen, sei aber noch viel Forschungsarbeit erforderlich.
Tauglichkeit für ärmere Länder bleibt fraglich
Da die Expertinnen und Experten überwiegend aus Ländern mit höherem Einkommen stammen, bleibt offen, inwieweit sich die Kriterien in ärmeren Ländern überhaupt anwenden lassen. Ein weiterer Schwachpunkt ist der geringe Einbezug von Pflegekräften in den Delphi-Runden und die fehlende Patientenbeteiligung.
Quelle: Philip J et al. Thorax 2024; 79: 1006-1016; DOI: 10.1136/thorax-2024-221721